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Tiertransport

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Tiertransporte: Tortur auf der Straße

Die deutsche Landwirtschaft konzentriert sich zunehmend auf Exporte. Weil es billiger ist, lebende Tiere zu verfrachten als Fleisch in Kühltransportern, nehmen Viehtransporte zu. Für die Tiere sind die Bedingungen oft schrecklich. Von N. Haberger

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Etwa vier Millionen Tiere - Rinder, Schafe, Schweine und Ziegen - werden pro Jahr aus der EU in Drittländer transportiert. Schlacht- und Zuchttiere. An der Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei werden die Tiertransporte oft stunden-, manchmal tagelang nicht abgefertigt. Bei Temperaturen von bis zu 40 Grad stehen die LKW in der prallen Sonne. Endet der Tierschutz an der EU-Außengrenze?

Vorschriften für Lebendviehtransporte

Nach der EU-Transportverordnung dürfen Kälber neun Stunden am Stück transportiert werden; dann muss eine Stunde Pause eingelegt werden. Danach kann der Transporter weitere neun Stunden fahren. Anschließend müssen die Tiere abgeladen werden und können für einen Tag ausruhen, bevor es weitergeht. Ausgewachsene Rinder dürfen 14 Stunden am Stück transportiert werden, bevor eine Stunde Pause eingelegt werden muss. Danach kann der Transporter weitere 14 Stunden fahren. Dann müssen die Tiere ebenfalls abgeladen werden und dürfen für einen Tag ausruhen, bevor es weitergeht. Das Gleiche gilt für Schafe. Schweine dürfen sogar 24 Stunden am Stück transportiert werden. Dann müssen sie abgeladen werden und dürfen für einen Tag Pause machen.

Warum werden Rinder aus Bayern ins Ausland transportiert?

Bayern ist in Deutschland das Milchland Nr. 1. Im Freistaat stehen so viele Rinder, dass in Bayern unmöglich deren ganze Milch getrunken, das Fleisch gegessen oder der Nachwuchs aufgezogen werden kann. Deshalb wird kräftig exportiert. Käse, Joghurt, Milchpulver, Fleisch, aber auch viele lebende Tiere. Exportiert wird zum einen Zuchtvieh. Aber vor allem Schlachtvieh geht auf Reisen, weil es billiger ist, lebende Tiere zu transportieren als Fleisch in Kühltransportern. Außerdem wollen die Kunden in muslimischen Ländern die Tiere aus religiösen Gründen meist selbst schlachten. Genau gesagt schächten - halal, ohne Betäubung.

Transporter meiden stark kontrollierte Strecken

Tierschützer beklagen, dass in Drittländern, also außerhalb des EU-Raums, jedoch kaum Tierschutzgesetze vorhanden sind. In vielen Ländern werden die Tiere beim Entladen und vor der Schlachtung oft regelrecht misshandelt, was durch Bildaufnahmen von Tierschutzorganisationen belegt ist. Doch auch nicht alle Transporte, die in Deutschland unterwegs sind, halten die gesetzlichen Vorgaben ein. Manche Tiere werden über Tausende von Kilometern gekarrt, zum Beispiel aus dem Baltikum bis nach Spanien. Kontrollen auf den deutschen Autobahnen finden nur sporadisch statt. Zuständig sind die Veterinärbehörden der Landkreise, die mit der Polizei zusammenarbeiten müssen. Es gibt jedoch keine zentrale Koordination. Transportunternehmen umfahren Landkreise, bei denen erfahrungsgemäß stärker kontrolliert wird. Dabei werden auch Umwege in Kauf genommen, um einer Kontrolle aus dem Weg zu gehen.

Appelle und Petitionen an die Politik

Der Deutsche Tierschutzbund verlangt, dass einheitlicher kontrolliert beziehungsweise die Kontrolle der Tiertransporte flächendeckend verstärkt wird. Bei Noch-Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, der geschäftsführenden Bundeskanzlerin Angela Merkel und beim zuständigen EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Vytenis Andriukaitis, sind bereits Petitionen von Tierschützern eingegangen, den Lebendtransport von Tieren in Drittländer zu verbieten. Auch die Bundestierärztekammer fordert das. Ob die Politik darauf reagiert, bleibt fraglich.

Ein wegweisendes Gerichtsurteil - ohne Folgen?

Wenn ein Tiertransport auf Reisen geht, muss er von einem Amtsveterinär abgefertigt werden. Dazu muss der Transportunternehmer einen Transportplan vorlegen. Vor einigen Jahren hat im Landkreis Oberallgäu eine mutige Veterinärin einen Transport nach Usbekistan verweigert, denn laut Transportplan wären die Tiere mehrere Tage ohne Pause unterwegs gewesen. Der Transportunternehmer zog vor Gericht, der Fall landete beim Europäischen Gerichtshof. Dort gab es 2015 ein wegweisendes Urteil: Der Tierschutz endet nicht an den Außengrenzen der EU. Doch was ist seitdem passiert? Tierschützer dokumentieren nach wie vor Missstände, Kontrollen sind schwierig. Und im Oberallgäu wurde seitdem nie mehr die Abfertigung eines Tiertransports in ein Drittland beantragt. Man weicht in andere Landkreise aus. Wo die Amtsveterinäre anscheinend nicht so streng sind?