Viele schöne Worte, viele große Zahlen, viele Versprechen. Wer dem Bundesverkehrsminister zuhört, gewinnt den Eindruck, die Verkehrswende stehe quasi vor der Tür. Volker Wissing spricht von einem deutlichen Anstieg bei der Zulassung von E-Autos.
Und der Markt wird in den nächsten Jahren rasant wachsen, ist sich der FDP-Politiker sicher. "Die Welt schaut auf uns", sagt Wissing. Deutschland soll wegen seiner starken Autoindustrie Leitmarkt für die E-Mobilität werden.
15 Millionen E-Autos bis 2030
An großen Zielen mangelt es dem Minister und der Bundesregierung nicht. Schon im Koalitionsvertrag steht: "Unser Ziel sind mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030." Und für dieses Ziel soll jetzt mit Hilfe eines zweiten Masterplans Ladeinfrastruktur der Ausbau des Ladenetzes vorangetrieben werden.
Die E-Mobilität wird nur auf die nötige Akzeptanz stoßen, wenn das Laden so einfach wie das Tanken wird, erklärt Wissing. Und: Der Netzausbau müsse jetzt kommen. Das Angebot soll in diesem Fall dem Bedarf vorausgehen, um dem Markt einen zusätzlichen Schub zu geben.
Was steht im "Masterplan"?
Der neue Plan des Ministers umfasst knapp 70 Maßnahmen, um den Ausbau besser als bisher zu steuern und bürokratische Hürden abzubauen. Wissing: "Wir wollen es den Unternehmen erleichtern, etwa auf Parkplätzen Ladepunkte anzubieten und setzen einen Schwerpunkt auf das Errichten von Ladeinfrastruktur in Quartieren und an Tankstellen." Auch an neuen staatlichen Förderprogrammen werde gearbeitet.
Über sechs Milliarden Euro will der Bund in den Ausbau des Netzes bis 2025 investieren. Der Verkehrsminister macht jedoch klar: Der Staat allein wird den Netzausbau nicht stemmen können. Die Energie- und Automobilwirtschaft müssen sich in Zukunft stärker beteiligen.
Wissings Ziele werden jedoch nur Realität werden, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen.
In jeder zweiten Kommune keine einzige Ladesäule
Neben der Wirtschaft spielen die Kommunen eine wichtige Rolle. Sie müssen Flächen für Ladesäulen ausweisen. Und es braucht viele Flächen: Der Minister will ein engmaschiges Netz mit einer Million öffentlichen Ladestationen in den nächsten acht Jahren spannen.
Blickt man auf die Realität, scheint das Ziel schier unerreichbar: Derzeit gibt es rund 70.000 Ladepunkte, davon rund 11.000 sogenannte Schnellladepunkte, bilanziert Johannes Pallasch von der Nationalen Leitstelle Infrastruktur. Viele Kommunen scheinen das Thema nicht ernst zu nehmen. Denn nach wie vor gibt es in jeder zweiten Kommune keine einzige Ladesäule.
Viele Ladestellen entlang von Autobahnen
Künftig sollen nicht nur Autos, sondern auch Lastwagen elektrisch unterwegs sein. Pallasch rechnet im nächsten und übernächsten Jahr mit den ersten E-LKW, die auf langen Strecken unterwegs sind. Auch für sie braucht es zirka alle 60 Kilometer unkomplizierte Auflademöglichkeiten, zum Beispiel entlang von Autobahnen. 300 bis 400 Ladestellen sind für Lastwagen vorgesehen. Johannes Pallasch, der mit der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur Wissings Ziele erreichen soll, sagt: "Das wird ein dickes Brett."
Um genügend Flächen für Ladestationen zu finden, will der Bund eigene Flächen zur Verfügung stellen, kündigt Wissing an. Auch die Bahn soll brachliegende Flächen für Ladesäulen anbieten.
Stromnetze müssen ausgebaut werden
Ein weiteres Problem: Viele Stromnetze geben die benötigen Kapazitäten noch gar nicht her. Der Minister räumt ein: "Die Netzintegration der Ladepunkte wird eine große Herausforderung." Das heißt, mindestens genauso schnell wie die Ladesäulen müssen die Stromnetze in vielen Regionen ausgebaut werden.
Der Verkehrsminister und die Bundesregierung scheinen zum schnellen Ausbau der Landeinfrastruktur verbannt zu sein. Volker Wissing: Ohne die E-Mobilität sind unsere Klimaschutzziele nicht zu erreichen. "Wir können hier nicht nachlassen, wenn wir klimaneutral werden wollen", sagt der FDP-Minister.
Klimaschützer kritisieren Verkehrsminister
Wissing steht bei Umwelt- und Klimaschützern in der Kritik. Der Verkehrssektor gilt als Sorgenkind, wenn es um die Klimaschutzziele geht. Regelmäßig werden in diesem Bereich die gesetzten CO2-Grenzen gerissen. Und der Minister tue zu wenig dagegen, lauten die Beschwerden.
Welche Auswirkungen die steigenden Strompreise auf die E-Mobilität haben werden, lässt sich heute schwer abschätzen. Die Bundesregierung werde alles versuchen, die Preise zu drücken, versichert Wissing. Doch auch die Kraftstoffpreise seien hoch und werden durch die CO2-Bepreisung in der Zukunft hoch bleiben, so Wissing. Im Kostenvergleich schneide das E-Auto in jedem Fall besser ab, ist sich der Minister sicher. Und auch an dieser Stelle macht er deutlich: Wer Klimaschutz will, kommt an der Verkehrswende nicht vorbei.
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