Im Bild ein Windpark bei Prittitz, 25.05.2022
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Habeck fordert mehr Tempo bei Windkraft-Ausbau

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Windkraft: Was der Bund von Bayern verlangt

Deutschland will die Energieversorgung auf Ökostrom umstellen, doch der Ausbau stockt. Deshalb macht Berlin Druck auf die Länder: Abstandsregeln wie 10H in Bayern sollen notfalls außer Kraft gesetzt werden. Die Reaktionen im Freistaat sind gemischt.

"Der Ausbau der Windenergie ist inzwischen eine Frage der nationalen Sicherheit." So steht es in einer Formulierungshilfe für ein "Wind-an-Land-Gesetz", mit dem die Bundesregierung mehr Tempo bei der Energiewende durchsetzen will. Auch vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine und dessen Folgen für die Energieversorgung. Windkraft sei entscheidend, um eine Unabhängigkeit von fossilen Importen und die Klimaziele zu erreichen, heißt es aus Kreisen des Bundeswirtschafts- und des Bundesbauministeriums.

Habeck fordert mehr Tempo bei Windkraft-Ausbau

Wirtschaftsminister Robert Habeck nennt die Pläne "Meilensteine" für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien. Am Rande eines Besuchs in Jordanien forderte der Grünen-Politiker, den Windkraftausbau zu beschleunigen: "Wir haben das schlecht genug gemacht in der Vergangenheit." Und mit Blick auf die geplanten Ausbauziele verspricht Habeck eine faire Verteilung unter den Ländern.

Geht es nach dem Wirtschaftsministerium, könnten die Pläne schon bald umgesetzt werden. Ein Kabinettsbeschluss ist für nächste Woche geplant, danach soll sich der Bundestag mit der Sache befassen. Eine endgültige Entscheidung könnte im Juli fallen – also noch vor der Sommerpause.

"Wind-an-Land-Gesetz" bereits in der Ressortabstimmung

Deutschlandweit sind zurzeit 0,8 Prozent der Landesfläche für Windkraftanlagen ausgewiesen. Mittelfristig muss sich der Anteil aus Sicht des Wirtschaftsministeriums erhöhen – nämlich auf 1,4 Prozent bis 2026 und rund zwei Prozent bis 2032. Wie eine Ministeriumssprecherin bestätigte, stimmen sich die zuständigen Ministerien seit Mittwoch zum "Wind-an-Land-Gesetz" ab. Im Wesentlichen gehe es darum, was jedes Bundesland leisten müsse, damit es beim Ausbau der Windkraft vorangehe.

Bayern soll 1,8 Prozent seiner Fläche für Windkraft ausweisen

Deshalb enthalten die Pläne der Ministerien konkrete Ziele für die Ausweisung geeigneter Flächen. Grundlage ist eine umfangreiche Studie zum regionalen Potenzial für Windkraftanlagen, wie es in der Formulierungshilfe heißt. Bayern soll demnach bis 2026 einen Anteil von 1,1 Prozent an der Landesfläche für Windräder ausweisen, bis 2032 sollen es 1,8 Prozent sein. Zurzeit liegt der Wert im Freistaat bei knapp 0,7 Prozent.

Noch ehrgeizigere Ziele für andere Länder

Länder wie Hessen, Brandenburg oder Thüringen sollen wegen des ermittelten Windkraftpotenzials noch ehrgeizigere Vorgaben erfüllen. Nur für die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen sind die Vorgaben niedriger als für Bayern. Gleichauf liegen Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und das Saarland.

Was passiert mit Abstandsregeln?

Mit den geplanten Neuregelungen stellt sich die Frage: Was passiert mit bestehenden Abstandsregelungen? In Bayern gilt die sogenannte 10H-Regel, die den zehnfachen Abstand der Windradhöhe zur nächsten Siedlung vorschreibt. In der Regel sind das 2.000 Meter. Die Staatsregierung hat allerdings angekündigt, künftig Ausnahmen zuzulassen – beispielsweise an Autobahnen oder autobahnähnlich ausgebauten Bundesstraßen. Auch in Sachsen und Brandenburg gelten Mindestabstände zwischen Windkraftanlagen und Wohnhäusern, die jetzt möglicherweise verändert werden müssen.

Bund will Abstandsregeln notfalls außer Kraft setzen

Die Länder dürfen zwar nach dem Willen des Bundes auch in Zukunft darüber entscheiden, ob sie Abstandsregeln erlassen. Die Pläne von Habeck sehen aber vor, dass diese Regeln die Ausbauziele nach dem neuen Gesetz nicht unterlaufen dürfen. Um das zu garantieren, sollen die Länder ihre Regeln bis Juni kommenden Jahres anpassen. Ein weiterer Punkt, der noch für Streit sorgen dürfte: Falls ein Bundesland hinter den Vorgaben aus dem geplanten Gesetz zurückbleibt, sollen die Abstandsregeln automatisch außer Kraft treten.

Windkraft-Ausbau hat auch Folgen für Naturschutz

Die Ausbau-Ziele betreffen auch den Naturschutz und das dazugehörige Bundesgesetz: "Der Betrieb von Windenergieanlagen liegt im überragenden öffentlichen Interesse", soll es künftig im Gesetz heißen. Entsprechend werden die Flächen ausgeweitet, die grundsätzlich für Windräder infrage kommen. Allerdings sind auch Schutzmaßnahmen für Vogelarten wie den Rotmilan, den Steinadler und den Wanderfalken vorgesehen. Um die Vögel zu schützen, sollen in sensiblen Gebieten beispielsweise Flugrouten freigehalten oder Windräder zeitweise abgeschaltet werden.

Bernreiter: Mogelpackung mit der Brechstange

In Bayern fielen die ersten Reaktionen auf die Pläne aus Berlin gemischt aus. Bauminister Christian Bernreiter (CSU) nannte den Entwurf für ein Windflächenbedarfsgesetz ein Bürokratiemonster und eine Mogelpackung. Der Bund wolle damit die Mindestabstände für Windkraft in Windenergiegebieten abschaffen. Statt die Windenergie wie vereinbart gemeinsam voranzubringen, mache der Bund jetzt Politik mit der Brechstange, warf Bernreiter der Bundesregierung vor. Bayern stehe zu 10H und ermögliche bereits Ausnahmen von Mindestabständen, etwa entlang von Autobahnen.

Aiwanger: "Damit können wir umgehen"

Ganz anders hatte zuvor Bernreiters Kabinettskollege, Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger von den Freien Wählern reagiert. Er zeigte sich zuversichtlich, die Vorgaben der Bundesregierung in Sachen Windkraft erfüllen zu können. "Damit können wir umgehen", sagte Aiwanger.

Brandl: Es wurde ein guter Kompromiss gefunden

Auch Uwe Brandl, Präsident des Bayerischen Gemeindetages, ist der Meinung, dass ein gangbarer Weg gefunden wurde. "Ich glaube, das Ziel war, sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene politische Gesichtsverluste zu vermeiden", erklärte Brandl im Interview mit BR24. Die Pläne des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums sowie des Bauministeriums ermöglichten mehr Windkraft in Bayern.

Die Bevölkerung müsse nun lernen, nicht nur zu fordern, sondern auch zu tolerieren, forderte Brandl. Man könne nicht die Energiewende sofort wollen und dann aber die entsprechenden Anlagen ablehnen, weil sie etwa das Landschaftsbild beeinträchtigten. Diese Debatte habe bereits beim Mobilfunk stattgefunden und sie betreffe ebenso die Windkraft wie die Photovoltaik.

Das im Bundesvergleich geringere Windkraft-Flächenziel für Bayern nannte Brandl eine gute Kompromisslösung. Zwar hätte etwa eine 7H-Regelung die Möglichkeiten für Windkraft-Anlagen im Freistaat nochmal deutlich erweitert. Aber es habe die Befriedung der Bevölkerung im Vordergrund gestanden und deshalb sei der jetzt angestrebte schwierigere Weg ein guter Weg. Die Regelung lasse deutlich mehr Windkraft zu, "wenn man sie umsetzt und will und tatsächlich auch Worten Taten folgen lässt."

Von der Staatsregierung erwarte er eine Vorbildfunktion etwa in Form von Pilotprojekten, fuhr Brandl fort. Flächen im Staatswald müssten genutzt werden, er denke da an Referenzwindräder der Regierung oder auch von Investoren. Letztere sollten möglichst über Bürgerbeteiligungsmodelle arbeiten, das erhöhe die Akzeptanz. Zudem brauch es andere Regularien, um Energie, die in Bayern erzeugt werde, "auch an Ort und Stelle zu marktwirtschaftlich vernünftigen Preisen an den Mann und an den Verbraucher zu bringen."

Windkraftanlagen
Bildrechte: BR

Die Bundesregierung will den Ausbau der Windkraft vorantreiben - und dafür notfalls die Abstands-Regelungen von Ländern wie Bayern kippen.

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