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Wie die AfD die Debattenkultur im Bundestag verändert

In der vorigen Legislaturperiode hatte so manche Bundestagsdebatte den Unterhaltungswert eines Langstreckenflugs in der Holzklasse. Seit Oktober wird – sieht man es positiv – mehr gestritten: Mit der AfD ist der Ton rauer geworden. Von Daniel Pokraka

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Donnerstag, später Vormittag. Der Bundestag stimmt über den Familiennachzug zu Flüchtlingen ab, namentlich. Das heißt: Die Abgeordneten verlassen ihre Plätze und werfen Stimmkarten in Wahlurnen. Zeit, um kurz miteinander zu plaudern: Angela Merkel mit Volker Kauder, Martin Schulz mit Thomas Oppermann, die Minister Maas, de Maizière und Barley zu dritt – während Außenminister Gabriel allein daneben sitzt und die Finger über sein Smartphone gleiten lässt.

Soviel zu den Kontinuitäten im Bundestag.

Es hat sich aber auch etwas verändert im deutschen Parlament: Die Debattenkultur wandelt sich. Nun sollte dieser Beitrag eigentlich gar nicht hauptsächlich von der AfD handeln. Aber die Partei macht eben – und das ist hier ganz wertfrei gemeint – einen Unterschied.

AfD provoziert, mal subtil, mal deutlicher

Man hört das in den Reden der Abgeordneten. Innerhalb nur einer Stunde bezeichnen Redner die politische Konkurrenz als "Altparteien", behaupten, in Deutschland würden Islamisten staatlich gefördert und betonen ohne Anlass, wie viele Arbeitslose angeblich keinen deutschen Pass haben.

Man hört und sieht es beim Auftreten der AfD-Fraktion während der Debatte, abseits der Saalmikrofone: Oft laut, mitunter höhnisch, manchmal verächtlich.

Aber nicht nur die AfD selbst verändert die Debattenkultur. Das tun auch die anderen Parteien – die den angemessenen Umgang mit der Rechtsaußenpartei ganz offensichtlich noch suchen. Soll man die AfD behandeln wie alle anderen? Oder anders, weil man Ungleiches nicht gleich behandeln kann?

Keine Gleichbehandlung der AfD

Natürlich machen Politiker der etablierten Parteien einen Unterschied. Man merkt das zurzeit in den Bundestagsdebatten oft recht schnell – und wenn man etwas länger zuhört, dann sogar bis hinauf ins Präsidium. Vizepräsidentin Claudia Roth von den Grünen zum Beispiel bedankt sich üblicherweise, wenn ein Abgeordneter seine Rede beendet hat. So auch gestern. Aber als der AfD-Abgeordnete Uwe Witt mit seiner Rede fertig war, wartete sie nur den Applaus aus dessen Fraktion ab – und rief dann den nächsten Redner auf.

Ein wichtiger Teil der Debattenkultur im Bundestag ist die Zwischenfrage. Abgeordnete können während der Rede eines Kollegen aufstehen und damit dem Präsidenten zeigen, dass sie dem Redner eine Frage stellen wollen. Die AfD macht davon besonders gern Gebrauch. In einer besonders kontroversen Debatte gestern ganze fünf Mal. Doch nur ein Unions-Politiker ließ die Frage zu.

Nun ist kein Redner dazu gezwungen. Allerdings ging es in der betreffenden Debatte um einen AfD-Antrag, und die Fraktion wurde von den Rednern der anderen Parteien immer wieder direkt angesprochen.

Andererseits: Wäre es den AfDlern wirklich wichtig gewesen, etwas zu sagen, hätten sie statt einer Frage auch eine Kurzintervention anmelden können. In aller Regel genehmigt das der Bundestagspräsident. Der Abgeordnete kann dann nach dem Redner eine dreiminütige Replik abgeben. Doch davon machte die AfD keinen Gebrauch.

AfD-Kandidat für Geheimdienstausschuss ist gewählt

Die AfD zwischen Provokation und seriöser Parlamentsarbeit – und die anderen Fraktionen auf der Suche nach dem richtigen Umgang. Das zeigen zurzeit viele Bundestagsdebatten – und das zeigen die Wahlen in Gremien, in denen der AfD ein Sitz zusteht. AfD-Mann Roman Reusch ist gestern im zweiten Anlauf in den Geheimdienstausschuss des Bundestags gewählt worden. Doch der AfD-Platz im Bundestagspräsidium ist bis heute unbesetzt. Der bisherige Kandidat Albrecht Glaser gilt für zu viele Bundestagsabgeordnete als unwählbar.