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Grenzkontrollen Österreich-Bayern

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Wie Deutschland seine Grenzen kontrollieren darf

Bundesinnenminister Seehofer will an deutschen Grenzen so lange kontrollieren lassen, bis die EU-Außengrenzen gesichert sind. Wo und warum wird überhaupt kontrolliert? Wie lange ist das rechtlich möglich? Und sind die Forderungen neu? Von W.Kerler

Wo und warum wird an deutschen Binnengrenzen kontrolliert?

Im September 2015, als täglich tausende Flüchtlinge nach Deutschland kamen, hatte die Bundesregierung die Grenzkontrollen wieder eingeführt und seitdem mehrmals verlängert. Derzeit finden sie an der Flugverbindung von Griechenland nach Deutschland statt - und vor allem an der Landgrenze zwischen Österreich und Deutschland. Denn: Die deutsch-österreichische Grenze sei nach wie vor die "Hauptmigrationsroute" nach Deutschland, teilte heute der Sprecher des Bundesinnenministeriums mit. Im Jahr 2017 registrierte die Polizei dort 16.000 unerlaubte Grenzübertritte. Zum Vergleich: An der Grenze zu Frankreich waren es knapp 4.000, an der zu Polen etwa 2.150, an der zu den Niederlanden rund 1.650. Insgesamt sind die Fallzahlen der illegalen Einreise seit Beginn der Flüchtlingskrise deutlich gesunken.

Stationäre Kontrollposten von Bundespolizisten gibt es an der deutsch-österreichischen Grenze an den drei Autobahnen, der A3, der A8 und der A93, je nach Anlass und Sicherheitslage wird außerdem an anderen Grenzübergängen kontrolliert. Hinter der Grenze findet Schleierfahndung in Zusammenarbeit mit der bayerischen Polizei statt.

Als generelle Gründe für die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen, die im Schengenraum eigentlich nicht vorgesehen sind, nannte die vergangene Bundesregierung die angespannte Sicherheitslage in Europa, Defizite beim Schutz der EU-Außengrenzen etwa in Griechenland oder Italien und laut Innenministerium "ein erhebliches Maß illegaler Migration innerhalb des Schengenraums".

Darf Deutschland die Grenzkontrollen unbefristet verlängern?

Nach derzeitigem Recht: eigentlich nein.

Nur bis November 2017 fanden die Grenzkontrollen zwischen Deutschland und Österreich mit Genehmigung der EU statt, genau genommen auf Vorschlag der EU-Kommission mit Zustimmung des Rats. Die Zustimmung aus Brüssel braucht es für Grenzkontrollen allerdings nicht unbedingt. Das Regelwerk zum Schengen-Abkommen, der "Schengener Grenzkodex", sieht vor, dass Staaten auch eigenständig Grenzkontrollen beschließen können. Das tat Deutschland im vergangenen November: Die derzeit laufenden Kontrollen ordnete die Bundesregierung in nationaler Verantwortung an. Sie laufen bis Mitte Mai 2018.

Länger als diese sechs Monate dürfen Kontrollen, die von den Mitgliedstaaten ohne Zustimmung aus Brüssel beschlossen werden, laut Grenzkodex nicht durchgeführt werden - jedenfalls wenn man den Text des Regelwerks wörtlich nimmt. Eine Option, um dennoch weiterhin Binnengrenzen durchzuführen: Deutschland müsste sie - mindestens auf dem Papier - kurzzeitig aussetzen, dann wieder neu anordnen. Oder die Bundesregierung setzt sich in Brüssel dafür ein, dass sie von der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten doch wieder Unterstützung für die Kontrollen bekommt. Dann würde ein anderer Artikel des Grenzkodex greifen. 

Eines betonte der Sprecher von Seehofer heute ohnehin: Der Innenminister habe keine unbegrenzten oder unbefristeten Kontrollen gefordert. "Er hat gesagt, solange die EU es nicht schafft, die Außengrenzen wirksam zu schützen, ist er für eine Verlängerung", sagte Johannes Dimroth, der Sprecher des Bundesinnenministeriums.

Insgesamt hat sich die Lage an den Grenzen entspannt. Registrierte die Polizei im Jahr 2016 noch fast 250.000 illegale Einreisen nach Deutschland, waren es 2017 noch etwas über 50.000.

Wird am besseren Schutz der europäischen Außengrenzen gearbeitet?

Ja - nur nicht überall.

Seehofers Argument für längere Grenzkontrollen lautet: Die Außengrenzen der Europäischen Union würden derzeit nicht gut genug geschützt. Darüber herrscht auch in der EU weitgehend Einigkeit. Daher gilt es als ziemlich sicher, dass die Europäische Union in Zukunft mehr Geld für den Grenzschutz ausgeben wird. Ansonsten dürfte aber noch viel diskutiert werden.

Die EU-Grenzschutzbehörde Frontex wird derzeit bereits aufgestockt auf gut 1.000 eigene Mitarbeiter plus einen ständigen Einsatzpool von 1.500 Beamten, die von den Mitgliedstaaten kommen. Offen ist allerdings die Frage, wie Frontex weiterentwickelt werden soll. Derzeit kann die Behörde nur unterstützend tätig werden, die Hauptverantwortung des Grenzschutzes bleibt bei den Nationalstaaten wie Griechenland, Italien oder Bulgarien. Vor allem bei den ersten beiden Staaten sehen andere EU-Länder Defizite – und fordern daher mehr Kompetenzen für Frontex. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD steht, Frontex solle zu einer echten europäischen Grenzschutzpolizei ausgebaut werden.

Sind Seehofers Forderungen zum Thema Grenzkontrollen überhaupt neu?

Nur zu einem sehr kleinen Teil.

Seehofers Amtsvorgänger Thomas de Maizière sagte schon im September 2017: "Solange die EU-Außengrenzen nicht sicher genug sind, wird es auch das Erfordernis von Binnengrenzkontrollen geben." Die bayerische Staatsregierung vertritt seit Monaten dieselbe Position. Der Chef der Unions-Fraktion im Bundestag, Volker Kauder, hatte einen Tag vor Seehofer ebenfalls gesagt, dass die Grenzkontrollen in Deutschland in Kraft bleiben müssten, bis die Kontrolle der EU-Außengrenzen funktioniere. Und auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD steht: "Bis der Schutz der EU-Außengrenzen effektiv funktioniert, sind Binnengrenzkontrollen vertretbar."

Im Grunde hält Seehofer also nur den bisherigen Kurs der Großen Koalition und seiner Partei, der CSU, fest. Neu an Seehofers Vorstellungen ist lediglich ein Detail: Im Interview mit der "Welt am Sonntag" stellte er fest, dass "nicht allzu viele Grenzstellen" in Deutschland derzeit dauerhaft besetzt seien - und ergänzte: "Auch darüber wird nun zu reden sein, ob das so bleiben kann."