Wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin erlassen. Putin sei mutmaßlich für die rechtswidrige Deportation von Kindern und Umsiedlungen aus besetzen Gebieten der Ukraine in die Russische Föderation verantwortlich, teilte der IStGH am Freitag mit.
Ein weiterer Haftbefehl erging demnach gegen die Kinderrechtsbeauftragte des russischen Präsidenten, Maria Alexejewna Lwowa-Belowa, wegen des gleichen Vorwurfs. Es sind die ersten Haftbefehle, die das Gericht im Zusammenhang mit mutmaßlichen Kriegsverbrechen in der Ukraine erlassen hat.
Den Haag: Putin "persönlich verantwortlich"
Laut dem Internationalen Strafgerichtshof bestehen "vernünftige Gründe" für die Annahme, dass Putin für die als Kriegsverbrechen einzustufende Verschleppung von Kindern auf russisches Territorium "persönlich verantwortlich" sei. Die Verbrechen hätten in den russisch besetzten Gebieten in der Ukraine "mindestens ab dem 24. Februar 2022", dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, eingesetzt. Auch Außenministerin Annalena Baerbock hatte die Verschleppung von Kindern aus der Ukraine angeprangert.
Die Haftbefehle würden - anders als sonst üblich - veröffentlicht, weil die Verbrechen mutmaßlich noch andauerten und eine öffentliche Bekanntgabe dazu beitragen könne, die weitere Begehung von Straftaten zu verhindern. Der genaue Text der Haftbefehle werde allerdings nicht bekanntgegeben, um Opfer und Zeugen zu schützen.
Putin nach Haftbefehl keine Persona non grata für UN-Chef
Die Vereinten Nationen haben eine direkte Reaktion auf den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag gegen Russlands Präsident Wladimir Putin vermieden.
Der Sprecher von UN-Generalsekretär António Guterres, Stephane Dujarric, betonte am Freitag lediglich, dass Putin für den UN-Chef wegen der Entscheidung keine Persona non grata sei: "Der Generalsekretär wird immer mit jedem sprechen, mit dem es nötig ist zu sprechen". Dujarric sagte weiter, dass der Internationale Strafgerichtshof (ICC) und die Vereinten Nationen getrennte Organisationen seien.
So könnte Putin verhaftet werden
Sollte Putin nun in ein Land reisen, das Vertragspartner des Internationalen Strafgerichtshofs ist, müssten die Behörden dort den russischen Präsidenten festnehmen und nach Den Haar überstellen. Der Gerichtshof hat selbst keine Polizeikräfte und kann in Russland nicht gegen Putin vorgehen.
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag ist zuständig, da die Ukraine sein Vertragspartner ist und die Taten auf ukrainischem Boden begangen wurden.
Ukraine: Das ist erst der Anfang
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen den russischen Staatschef Wladimir Putin als "historisch" bezeichnet.
Der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin sagte in Online-Medien: "Die Welt hat ein Signal erhalten, dass das russische Regime kriminell ist und seine Führung und Handlanger zur Rechenschaft gezogen werden." Dies sei "eine historische Entscheidung für die Ukraine und das gesamte System des internationalen Rechts". Er sieht darin ersten Anfang eines langen Weges zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit.
Ukraine: Mindestens 16.000 Kinder verschleppt
Nach Angaben der ukrainischen Regierung wurden bis Februar dieses Jahres mehr als 16.000 Kinder aus der Ukraine nach Russland oder in russisch kontrollierte Gebiete verschleppt. Der IStGH hatte bereits unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ermittlungen aufgenommen.
Erst am Donnerstag war ein Bericht einer Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrats veröffentlicht worden, in dem russischen Truppen zahlreiche Kriegsverbrechen wie systematische Folter und Tötungen von Zivilisten in besetzten Gebieten vorgeworfen wurden.
Russland: Haftbefehle sind bedeutungslos
Russland bekräftigte umgehend, der Strafgerichtshof in Den Haag sei bedeutungslos. "Die Entscheidungen des Internationalen Strafgerichtshofs haben für unser Land keine Bedeutung, auch nicht in rechtlicher Hinsicht", erklärte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, auf ihrem Telegramm-Kanal.
Menschenrechtler: "Großer Tag für die vielen Opfer"
Human Rights Watch erklärte, das sei ein "großer Tag für die vielen Opfer der Verbrechen. Der Gerichtshof habe "einen ersten Schritt unternommen, um die Straffreiheit zu beenden, die die Täter in Russlands Krieg gegen die Ukraine schon viel zu lange ermutigt hat. Die Haftbefehle senden die klare Botschaft, dass der Befehl, schwere Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung zu begehen oder zu dulden, bis in eine Gefängniszelle in Den Haag führen kann."
Es handele sich um einen "Weckruf für andere, die Rechtsverletzungen begehen oder sie decken, dass ihr Tag vor Gericht bevorstehen könnte, unabhängig von ihrem Rang oder ihrer Position", hieß es.
Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann hat den Haftbefehl begrüßt: "Wer wie Putin einen blutigen Krieg angezettelt hat, sollte sich dafür vor Gericht verantworten müssen", sagte der FDP-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Geringe Chancen auf Verurteilung Putins
Die Haftbefehle sind ein erster Schritt hin zu einem Prozess. Aus früheren Verfahren wird jedoch deutlich, dass es schwierig ist, hochrangige Vertreter zur Rechenschaft zu ziehen. In mehr als 20 Jahren gab es lediglich fünf Verurteilungen wegen sogenannter Kernverbrechen. Bei keinem der Verurteilten handelt es sich um oberste Vertreter eines Machtapparats. Das Gericht darf außerdem keine Prozesse in Abwesenheit der Angeklagten führen.
Mit Informationen von AP, AFP, Reuters und dpa.
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