Außenministerin Baerbock
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Annalena Baerbock

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Was wurde aus Baerbocks feministischer Außenpolitik?

Außenministerin Annalena Baerbock trat vor einem Jahr ihr Amt an. Sie kündigte an, eine "feministische Außenpolitik" umsetzen zu wollen. Was steckt dahinter? Wie geht das in einer Zeit, in der Kriege und Krisen die Welt durchschütteln? Eine Bilanz.

Annalena Baerbock ist kaum eine Woche im Amt, da tritt sie zusammen mit ihren Amtskolleginnen aus Norwegen und Schweden in Stockholm vor die Presse. Es ist ein Bild mit Symbolkraft. Drei Frauen - Ann, Anniken, Annalena - alles Außenministerinnen, sprechen über Abrüstung. Es soll deutlich zeigen: Hier werden neue Akzente gesetzt. Baerbock will auch Themen in ihr Ministerium holen, die bislang nicht im Mittelpunkt standen, wie etwa der Kampf gegen die Klimakrise. Eine Politik auf Höhe der gesellschaftlichen Realität nennt das Baerbock.

Neue Ziele in der Außenpolitik - Krieg in Ukraine ändert vieles

"Wir folgen dabei dem Beispiel Schwedens und Kanadas", erklärte die Ministerin. Das heiße auch, dass Deutschland künftig eine "feministische Außenpolitik" verfolgen wolle. Mit diesem Konzept ist eine Politik gemeint, die die Verteidigung der Menschenrechte und bisher weitgehend ausgegrenzter Gruppen in den Vordergrund stellt. Außerdem strebt sie nach Gleichberechtigung. Zentral ist auch, dass dabei Konflikte ohne Waffengewalt gelöst werden sollen. Der 24. Februar 2022 aber stellt diesen Ansatz auf eine schwere Probe.

Am Tag nachdem Russlands Präsident Wladimir seine Soldaten in die Ukraine geschickt hat, erklärt Annalena Baerbock: "Wir sind heute in einer anderen Welt aufgewacht.“ Diese Entwicklung beeinflusst auch die Agenda der Außenministerin. Diskutiert wird nun über Waffenlieferungen. Baerbock spricht sich frühzeitig für schwere Waffen für die Ukraine aus. Im Bundestag erklärt sie damals, dass "wenn unsere Welt eine andere" sei, auch "unsere Politik eine andere" werden müsse.

Waffenlieferungen und "feministische Außenpolitik"

Dass die Bundeswehr einen 100 Milliarden schweren Booster bekommen soll, ist kein Problem für die Außenministerin. Und vor allem - kein Widerspruch zu ihrem Ansatz der feministischen Außenpolitik. Annalena Baerbock schildert im Bundestag eine Begegnung mit Müttern in Srebrenica. In dem Ort in Bosnien-Herzegowina wurden 1995 mehrere tausend Bosniaken von pro-serbischen Kräften ermordet. Das Geschehen wird heute als Völkermord eingeordnet.

Bei ihrem Besuch dort hätte ihr eine Frau gesagt, so Baerbock, damals sei nicht gehandelt worden, als sie und ihre Töchter vergewaltigt wurden. Vergewaltigung sei damals nicht als Kriegswaffe anerkannt gewesen. "Deswegen gehört zu einer Sicherheitspolitik des 21. Jahrhunderts auch eine feministische Außenpolitik. Das ist kein Gedöns“, betont die Außenministerin.

Lob und Kritik aus der Opposition

Der CDU-Außenpolitiker Johann Wadephul schätzt Annalena Baerbock. Er lobt sie gelegentlich – sogar im Bundestag. Von der feministischen Außenpolitik der Ministerin zeigte er sich vor kurzem allerdings ziemlich ernüchtert. Es gebe im Iran gerade fast einen Volksaufstand, der begonnen wurde von Frauen, so Wadephul. "Nur wer daraufhin ganz lange geschwiegen hat und überhaupt nicht agiert hat, war Ministerin Baerbock", kritisiert der CDU-Politiker. "Das heißt am praktischen Beispiel hat sie nicht gezeigt, dass ihr das Thema ernst und wichtig ist.“

Baerbock hat das Thema Iran allerdings mittlerweile im UN-Menschenrechtsrat angesprochen und dabei einmal mehr Wertepolitik vor Diplomatie gestellt. Indem sie die Opfer benennt und auf deren Recht pocht, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Veränderungen auch im Ministerium

Die Außenministerin als erste Frau an der Spitze des Auswärtigen Amtes will aber nicht nur nach außen, sondern auch nach innen Veränderungen bewirken. 2021 waren 27 Prozent der Leitungs-Positionen im Ministerium mit Frauen besetzt, Tendenz steigend. Die politischen Abteilungen, lange Jahre Männer-Domänen, werden verstärkt Frauen anvertraut.

Kanzler Scholz
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Olaf Scholz

Das Auswahlverfahren wurde angepasst, zwei von drei Staatssekretären und Sekretärinnen sind weiblich. Genauso ist es bei den Staatsministerinnen und -ministern, die direkt unterhalb der Ministerin angesiedelt sind. Dieser Ansatz soll nun auch in die Breite getragen werden, heißt es im Auswärtigen Amt.

Gemeinsam stärker

Weltweit hat Annalena Baerbock ein Netzwerk geknüpft, um ihre Agenda weiterzutreiben. Dazu gehören Außenpolitiker und Außenpolitikerinnen der nordischen Staaten genauso wie etliche aus Afrika, zum Beispiel aus Ruanda oder Libyen. Bei einer Konferenz im November in Berlin verdeutlichte sie noch einmal ihre Position: „Eine feministische Außenpolitik bedeutet, dass wir gemeinsam stärker sind." Wenn zum Beispiel Friedensabkommen verhandelt würden, dann seien diese stabiler und tragfähiger, so Baerbock, wenn alle Menschen mit am Tisch sitzen und das gelte insbesondere für die Hälfte der Bevölkerung: Den Frauen.

Wie die deutsche feministische Außenpolitik künftig weiterentwickelt wird, dazu will das Ministerium im Frühjahr 2023 Leitlinien präsentieren.

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