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Was ist Volksverhetzung?

Die Kölner Polizei und Privatpersonen haben Strafanzeige gegen die AfD-Politikerin Beatrix von Storch gestellt. Sie werfen ihr vor, sich mit einem islamfeindlichen Tweet der Volksverhetzung strafbar gemacht zu haben. Was bedeutet das? Von Jenny Stern

Geregelt ist der Tatbestand der Volksverhetzung in Paragraph 130 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs. Strafbar macht sich demnach jeder, der den öffentlichen Frieden stört, indem er zu Hass aufstachelt oder zu Gewalt auffordert "gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe" oder Personen, die dieser Gruppe angehören. Außerdem wird belangt, wer wegen dieser Zugehörigkeit die Menschenwürde anderer angreift, sie "beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet". Volksverhetzung kann mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden.

Auch als der AfD-Fraktionschef Alexander Gauland im September 2017 davon sprach, die türkischstämmige SPD-Vizechefin Aydan Özuguz "in Anatolien zu entsorgen", gingen zahlreiche Strafanzeigen wegen Volksverhetzung ein. Das Ermittlungsverfahren gegen Gauland läuft noch, wie die zuständige Staatsanwaltschaft Mühlhausen dem Bayerischen Rundfunk hierzu mitteilte. Laut Sprecher wurden die Akten bereits an Gaulands Verteidiger geschickt, man warte nun auf eine Antwort.

"Instrumentalisierung auf beiden Seiten"

Während sich die AfD in den sozialen Netzwerken als erstes Zensur-Opfer des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes darstellt, halten ihre Gegner dagegen: Die Partei schiebe das neue Gesetz lediglich vor, um ihre Hassbotschaften zu verbreiten. "Das wird jetzt von allen Seiten instrumentalisiert", ordnet der Strafrechtler Dirk Lammer vom Deutschen Anwaltverein die Diskussion ein. Mit dem NetzDG habe sie aber nicht direkt zu tun - von Storch sei vielmehr wegen der unternehmenseigenen Richtlinien von Twitter selbst gesperrt worden.

Menschenwürde gegen Meinungsfreiheit

Wird jemand wegen Volksverhetzung angeklagt, müssen Richter und Anwälte zwischen den Gütern der Menschenwürde und der Meinungsfreiheit abwägen. Das ist bei der AfD-Politikerin aber noch lange nicht der Fall. Hierzu müsste die Staatsanwaltschaft erst feststellen, dass der umstrittene Tweet tatsächlich strafrechtlich relevant ist und dann ein Ermittlungsverfahren einleiten. Zudem müsste die Immunität der Bundestagsabgeordneten aufgehoben werden.

Der Deutsche Anwaltverein beschreibt den Tatbestand der Volksverhetzung auf seinem Portal als eher "abstraktes Gefährdungsdelikt", das sich in der Praxis deshalb oft schwer greifen lasse. Jeder Fall müsse also einzeln bewertet, entschieden und in seinen jeweiligen Kontext gesetzt werden, sagt Strafrechtler Lammer:

"Was genau war der Anlass für die Äußerung: War das jetzt reine Gehässigkeit, fand sie im Rahmen einer politischen Diskussion statt? Das und viele weitere Umstände des Einzelfalles muss man alles in die Gesamtbewertung einbeziehen." Strafrechtler Dirk Lammer vom Deutschen Anwaltverein

Letzten Endes handele es sich bei der Volksverhetzung um einen Tatbestand, der Wertungen beinhalte. Einige würden den Tweet von Beatrix von Storch deshalb als freie Meinungsäußerung mit provokanter Zuspitzung bezeichnen, andere als Volksverhetzung.