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Koalitionsvertrag

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Was die GroKo für junge Menschen bringt

Finanziell meinen es CDU, CSU und SPD mit den Senioren am besten. An anderer Stelle hat die Große Koalition aber durchaus auch an junge Menschen gedacht. Ein Jugendforscher freut sich sogar über einen "echten Durchbruch".

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Merkel, Schulz, Seehofer – alle über 60. Nahles und Dobrindt – auch schon 47. Die Federführung bei den Koalitionsgesprächen übernahmen altgediente Politiker. Nur ein paar jüngere durften mit verhandeln. Dazu zählte auch Emmi Zeulner, 30, die für die CSU im Bundestag sitzt.

Aus ihrer Sicht steckt im Koalitionsvertrag vieles für die junge Generation. "Wir haben da auf jeden Fall viele Akzente gesetzt", sagt Emmi Zeulner dem BR. Dazu zählt für sie die Abschaffung des Schulgelds für die Ausbildung zu Gesundheitsberufen.

"Wir wollen nicht, dass die jungen Leute auch noch Geld für ihre Ausbildung mitbringen müssen – und sie sollen auch nicht mit Schulden in ihre Arbeitslaufbahn starten." Emmi Zeulner, CSU, Bundestagsabgeordnete

Mindestlohn für Auszubildende

Für Auszubildende könnte sich auch an anderer Stelle etwas verbessern: Wer eine Lehre anfängt, soll in Zukunft eine "Mindestausbildungsvergütung" bekommen, einen Mindestlohn für Azubis also. "Das zählt zu den paar ganz guten Punkten im Koalitionsvertrag", sagt Jamila Schäfer dem BR. Die 24-Jährige aus München ist die stellvertretende Parteivorsitzende der Grünen.

Beim Thema Befristung hätte sie sich aber mehr gewünscht: CDU, CSU und SPD wollen es Unternehmen zwar erschweren, Arbeitsverträge ohne Grund immer wieder zu befristen. Aber ganz verbieten wollen sie es nicht.

"Viele Leute in meinem Freundeskreis bekommen einen befristeten Arbeitsvertrag nach dem anderen. Das führt dazu, dass sie keine Planungssicherheit im Leben haben. Ich hätte mir deshalb gewünscht, dass man die sachgrundlose Befristung komplett abschafft." Jamila Schäfer, Grüne, stellvertretende Parteivorsitzende

Milliardeninvestitionen in Bildung

Für grundsätzlich richtig halten Vertreter aller Parteien, dass die Große Koalition in Bildung investieren will. Davon profitieren vor allem junge Menschen. 600 Millionen Euro soll in die Modernisierung der Hochschulen fließen, eine Milliarde Euro in die Ausweitung des "Bafög", fünf Milliarden Euro in die Digitalisierung der Schulen, also für die Ausstattung mit WLAN oder Tablets. Außerdem sollen die Gebühren für die Meisterprüfung in Zukunft ganz oder teilweise erstattet werden.

Auch Jamila Schäfer findet es gut, dass mehr Geld für Bildung ausgegeben werden soll. An ihrem Gesamteindruck des Koalitionsvertrags ändert das allerdings nichts.

"Wenn man sich das Ganze anguckt, dann fehlt da die große Vision, die jetzt natürlich gerade junge Leute interessiert. Wie wird Deutschland, wie wird die Welt in den nächsten 20 bis 30 Jahren aussehen." Jamila Schäfer, Grüne, stellvertretende Parteivorsitzende

Kaum Ambitionen beim Klimaschutz

Gerade bei zwei großen Themen vermisst sie konkrete Vorschläge von Union und SPD: Wie wollen sie die Vermögensungleichheit und die Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa bekämpfen? Und: Wie wollen sie ganz konkret das Klima retten?

"Ich finde es eine Unverschämtheit, dass nur ein Lippenbekenntnis zum Klimaschutz da ist", sagt Jamila Schäfer. "Das finde ich unverantwortlich." Für Leute in ihrem Alter, die jetzt um die 20, 25 sind, sei es relevant, ob man in 30 Jahren überhaupt noch so auf diesem Planeten leben könne wie jetzt.  

Umstrittene Pläne bei der Rente

Die Rentenpläne der Großen Koalition stoßen vor allem bei jungen (und älteren) FDP-Politikern auf klare Ablehnung: Sie werfen Union und SPD vor, Rentengeschenke auf Kosten kommender Generationen zu verteilen. Die Stichworte: Mütterrente, Grundrente, Festschreibung des Rentenniveaus.

Die junge CSU-Abgeordnete Emmi Zeulner verteidigt dagegen die Ausweitung der Mütterrente: "Da habe ich aus Überzeugung auch dafür gekämpft." Sie findet: Die Leistung von Frauen, die drei oder mehr Kinder groß gezogen und nebenbei vielleicht sogar noch auf dem Bauernhof mitgearbeitet haben, müsste gewürdigt werden. "Da darf man die Generationen nicht gegeneinander ausspielen."

Finanzielle "Unwucht" zugunsten der Senioren      

Senioren sind die größte Wählergruppe. Finanziell haben sie schon von der letzten Großen Koalition am meisten profitiert. Auch diesmal würden die über 65-Jährigen am besten wegkommen. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung und das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit haben durchgerechnet, dass ein Rentnerhaushalt im Schnitt 622 Euro mehr pro Jahr zur Verfügung hätte, wenn Union und SPD ihre Versprechen einlösen.

Die 40- bis 64-Jährigen bekämen der Untersuchung zufolge 111 Euro weniger, die 26- bis 39-Jährigen nochmal 69 Euro weniger. Am schlechtesten kämen die jungen Erwachsenen weg: Gerade einmal 161 Euro mehr im Geldbeutel hätten die 18- bis 25-Jährigen pro Haushalt und Jahr. Verbessern könnte die Große Koalition diese Bilanz nur, wenn sie sich doch dazu durchringt, die Kita-Gebühren komplett abzuschaffen.

Auch Deutschlands wohl renommiertester Jugendforscher Klaus Hurrelmann sieht finanziell eine "Unwucht" zugunsten der Alten. "Da hat die Große Koalition wieder zugelangt", sagt er dem BR.

Kinderrechte sollen ins Grundgesetz

Trotzdem ist der Jugendforscher mit dem Koalitionsvertrag im Großen und Ganzen zufrieden: Union und SPD wollen Kinderarmut bekämpfen, erhöhen das Kindergeld um 25 Euro pro Kind und Monat, wollen die Betreuung verbessern und Kinderrechte ganz explizit ins Grundgesetz schreiben.

"Das ist ein echter Durchbruch. Wir werden im Laufe der nächsten Jahre merken, dass das tatsächlich etwas ist, was die Position der jüngsten Generation in dieser Gesellschaft deutlich verbessert." Klaus Hurrelmann, Jugendforscher, Hertie School of Governance

Er geht davon aus, dass durch die Verankerung der Kinderrechte in der Verfassung das Wohl der Unter-18-Jährigen bei jeder Gesetzgebung mitgedacht wird. "Das ist mehr als Symbolik", sagt Klaus Hurrelmann.