Für Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Ministerriege ist die Amtszeit offiziell vorbei – Stichtag war der 24. Oktober, als Merkel aus der Hand von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihre Entlassungsurkunde entgegen nahm.
"Das Amtsverhältnis der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel hat mit dem Zusammentritt des 19. Deutschen Bundestages am 24. Oktober 2017 seine Beendigung gefunden. Für die dem deutschen Volke geleisteten treuen Dienste spreche ich Ihnen Dank und Anerkennung aus." Entlassungsurkunde von Angela Merkel
Entlassen - aber dennoch weiter im Dienst
Steinmeier hat aber Merkel ersucht, Geschäfte weiterzuführen. Und sie wiederum hat die Minister gebeten, dies ebenfalls zu tun. Die Bundesregierung ist damit geschäftsführend im Amt, bis sich eine neue Koalition gefunden und der Bundestag den neuen Regierungschef gewählt hat. Grundsätzlich hat die geschäftsführende Regierung die gleichen Rechte wie zuvor. Oder, wie es der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages formuliert: „Ihr Handlungsspielraum ist von Rechts wegen nicht auf die ‚laufenden Geschäfte‘ beschränkt.“ Sie könnte theoretisch sogar neue Gesetze erarbeiten oder den Staatshaushalt einbringen – allerdings hätte das im Bundestag wohl wenig Erfolg, weil inzwischen die parlamentarische Mehrheit fehlt.
Business as usual? Eher nein
Laut Helge Sodan, Professor für Staatsrecht an der Freien Universität Berlin, befindet sich die Regierung in einer Übergangsphase. Die Legitimation, sagt Sodan, wirke noch fort, aber sie werde dünner. Und das führe zur weit verbreiteten staatsrechtlichen Auffassung, dass sich eine geschäftsführende Regierung politisch sehr zurückhalten sollte.
"Der Gedanke größtmöglicher politischer Zurückhaltung fußt letztlich darauf: die Legitimation ist sehr viel schwächer geworden nach dem Zusammentritt des neuen deutschen Bundestages. Von daher soll die Funktionsfähigkeit gesichert werden. So lange das geht, ist alles in Ordnung. Aber eine Zurückhaltung ist unbedingt angeraten aus verfassungsrechtlichen aber natürlich auch aus letztlich politischen Gründen." Helge Sodan, Staatsrechtler, Freie Universität Berlin
Knatsch zum Ende der GroKo
Eher wenig zurückhaltend zeigte sich allerdings Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). Sein Brief an die EU-Kommission, in dem er vor zu strengen Abgas-Vorschriften warnt, erzürnte Umweltministerin Barbara Hendricks. Die SPD-Politikerin lehnt, das ist kein Geheimnis, die laschere Klimaziele für die Autoindustrie ab und kommentierte (im ZDF) den Brief ihres Genossen so:
"Nun ja, es ist verwunderlich, dass er das gemacht hat. Denn erstens ist es inhaltlich nicht ok, und zweitens war es auch nicht in der Bundesregierung abgestimmt." Barbara Hendricks, SPD, geschäftsführende Bundesumweltministerin
Nicht abgestimmt war auch der Brief von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, in dem der CSU-Politiker der EU-Kommission anbot, Deutschland könnte einer auf drei Jahre befristeten Genehmigung für den Unkrautvernichter Glyphosat zustimmen. Für Hendricks ist das ein „Foulspiel“, sie sagte, sie bleibe beim Nein zu Glyphosat. Und was wohl noch Entscheidendere ist: so ein Brief beeinträchtigt die Jamaika-Sondierungen, da die Grünen ein sofortiges Glyphosat-Verbot fordern.
Betonte Zurückhaltung
Andere Signale kommen da von Peter Altmaier, CDU: der momentan geschäftsführende Bundesfinanzminister sprach beim Treffen mit seinen EU-Kollegen in dieser Woche in Brüssel von Rücksichtnahme auf die Sondierungen in Berlin.
"Trotzdem ist es so, dass wir zu den Commitments [=Verpflichtungen] stehen, die wir eingegangen sind, dass wir verlässlich bleiben, dass wir aber selbstverständlich langfristige Entscheidungen nicht vorwegnehmen". Peter Altmaier, CDU, geschäftsführender Bundesfinanzminister
Und so hielt sich Altmaier denn auch bedeckt in der Frage, wie man denn künftig gegen Steueroasen vorgehen wolle. Frankreich drängt auf Strafen, Altmaier sagte nur, er sei offen für gute Vorschläge.
Doppelzuständigkeit von Ministern
Dass der Kanzleramtsminister übergangsweise auch für das Finanzressort spricht, hat übrigens damit zu tun, dass Wolfgang Schäuble die Regierungsmannschaft verlassen hat und nun Bundestagspräsident ist. Wechsel gab es auch an der Spitze von zwei anderen Ministerien: Verkehr sowie Arbeit/Soziales. Die vormalig zuständigen Minister Alexander Dobrindt und Andrea Nahles sind nun CSU-Landesgruppenchef bzw. SPD-Fraktionschefin. Die so verwaisten Ressorts wurden vorübergehend von anderen Regierungsmitgliedern übernommen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages spricht hier vom „Versteinerungsprinzip“: einfach neue Minister ernennen geht nämlich nicht, denn das wäre ja dann quasi eine Regierungsneubildung