Anti-Kriegs-Protest in Russland
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Anti-Kriegs-Protest in Russland

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Warnschüsse bei Demos gegen Mobilisierung in Russland

Mit einer Teilmobilmachung der russischen Streitkräfte will Kremlchef Putin eine Wende im Krieg gegen die Ukraine herbeiführen. Doch statt mit Patriotismus reagiert das Volk vielerorts mit Protest. In Dagestan feuerte die Polizei Warnschüsse ab.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Widerstand in Dagestan im Kaukasus - gegen die Mobilmachung von Reservisten für Russlands Krieg in der Ukraine. Die Polizei in der südrussischen Teilrepublik ging mit Warnschüssen gegen Demonstranten vor.

Polizisten feuern mit Gewehren in die Luft

Im Ort Endirej blockierten Anwohner eine Straße, um so die von Russlands Präsident Wladimir Putin angeordnete Teilmobilisierung zu behindern, wie die Bürgerrechtsorganisation OVD-Info am Sonntag mitteilte. Auf Videos ist zu sehen, wie Polizisten Gewehre in die Luft richten, dann sind Schüsse zu hören. Auch Gerangel zwischen Anwohnern und Beamten ist zu sehen. Laut dagestanischen Medien war der Protest eine Reaktion darauf, dass aus dem Dorf 110 Männer in den Krieg gegen die Ukraine gezwungen wurden.

Später wurden in sozialen Netzwerken Videos geteilt, die Proteste auch in Dagestans Hauptstadt Machatschkala zeigen sollen. Auf einem ist zu sehen, wie ein Polizist einem bereits festgenommenen Mann ins Gesicht schlägt. Ein anderer Clip zeigt, wie Frauen vor einen fahrenden Einsatzwagen rennen, um ihn aufzuhalten.

Aktivisten: Ethnische Minderheiten besonders von Teilmobilisierung betroffen

Das muslimisch geprägte Dagestan gehört zu den Regionen Russlands, aus denen Beobachtern zufolge besonders viele Männer eingezogen werden. Aktivisten beklagen, dass Angehörige ethnischer Minderheiten besonders stark von der Mobilmachung betroffen sind und sprechen deshalb teils sogar von "ethnischen Säuberungen".

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Karte: Die militärische Lage in der Ukraine

Angesichts jüngster Niederlagen seiner Armee hatte Kremlchef Wladimir Putin am vergangenen Mittwoch angeordnet, nun auch Reservisten zum Kampf in der Ukraine zu verpflichten. Seitdem herrscht bei vielen Russen große Panik. An den Grenzen zu Russlands Nachbarländern stauen sich lange Autokolonnen. Flüge ins Ausland sind auf Tage ausverkauft oder bei weiten Zielen kaum zu bezahlen. Fluchtartig verlassen Tausende mit dem Auto das Land - etwa in Nachbarländer wie Kasachstan oder Georgien, wo keine Visa nötig sind.

Bereits mehr als 2.000 Festnahmen bei Protesten

Nach Angaben von OVD-Info wurden seit Mittwoch fast 2.100 Menschen bei Protesten gegen die Teilmobilmachung festgenommen. Die russische Polizei ging am Samstag teils brutal gegen Teilnehmer der von den Behörden verbotenen Anti-Kriegs-Proteste vor. Aus St. Petersburg wurden in sozialen Netzwerken Videos veröffentlicht, die zeigten, wie Männer in Kampfuniform und mit Helm auf Demonstranten einknüppelten. OVD-Info berichtete unter Berufung auf Augenzeugen, dass die Sicherheitskräfte Elektroschocker eingesetzt hätten.

"Knüppelsystem": Kritik an Einberufungen von offizieller Seite

Von offiziellen Stellen mehrte sich Kritik am Vorgehen des Militärs bei der Teilmobilmachung. Der Chef des Menschenrechtsrats beim russischen Präsidenten, Waleri Fadejew, forderte, das "Knüppelsystem" vieler Einberufungsstellen im Land zu beenden. Es bekämen sogar Männer Einberufungsbefehle, die keine Kampferfahrung hätten. In den sozialen Netzwerken in Russland gibt es zahlreiche Fälle, in denen Väter kinderreicher Familien, Männer ohne Kampferfahrung oder auch ältere und chronisch kranke Reserveoffiziere berichten, dass sie eingezogen worden seien.

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Ukrainischer Präsident appelliert an Moskaus Kämpfer

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bot an, dass sich russische Soldaten freiwillig in Kriegsgefangenschaft begeben könnten. Dort würden sie zivilisiert behandelt, sagte er in seiner am Samstagabend veröffentlichten Videobotschaft. Der Staatschef wandte sich damit schon zum zweiten Mal in dieser Woche auf Russisch an die Nachbarn - gegen die "verbrecherische Mobilisierung". Mit Blick auf hohe Strafen für Fahnenflüchtige in Russland, die Kremlchef Wladimir Putin am Samstag in Kraft setzte, sagte Selenskyj, dass niemand erfahren werde, unter welchen Umständen die Soldaten aufgeben.