Ukraine-Krieg - Irpin
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Ukrainischer Soldat auf einem Panzer

    Von Panzer bis Kampfjet: Was als "schwere Waffen" gilt

    Die Debatte um Rüstungslieferungen für die Ukraine nimmt immer mehr Fahrt auf. Vor allem Bundeskanzler Scholz gerät zunehmen unter Druck wegen seiner zögernden Haltung. Kiew drängt auf die Lieferung "schwerer Waffen". Doch was genau fällt darunter?

    Seit Wochen läuft Diskussion, ob und in welcher Form Deutschland in der Lage ist, "schwere Waffen" an die Ukraine zu liefern. Doch was ist eigentlich darunter zu verstehen?

    Die Bundeszentrale für politische Bildung definiert schwere Waffen als konventionelle Rüstungsgüter, zwischen sogenannten Klein- und Leichtwaffen wie Maschinengewehren oder Panzerfäusten auf der einen Seite und Massenvernichtungswaffen auf der anderen Seite, also zum Beispiel Atom- oder Chemiewaffen.

    Vier Kategorien: Vom Panzer bis zum Kampfjet

    Im Mittelpunkt des Streites um Waffenlieferungen für die Ukraine stehen in Deutschland gepanzerte Fahrzeuge. Sie gelten Experten aber nur als als eine von vier Kategorien "schwerer Waffen". Die Spanne reicht dabei vom gepanzerten Mannschaftstransporter bis hin zum Kampfpanzer. In die zweite Kategorie fällt Artillerie, also Geschütze, die entweder auf ein Fahrzeug montiert sind oder von Lastwagen gezogen werden. Als weitere Kategorien gelten der Bundeszentrale für politische Bildung Flugzeuge und Hubschrauber auf der einen Seite, sowie größere bewaffnete Schiffe und U-Boote.

    Gepanzerte Fahrzeuge

    Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg setzen Militärs im großen Stil auf gepanzerte Fahrzeuge. Im Kalten Krieg verfügten Nato und Warschauer Pakt über Zehntausende von Kampf- und Schützenpanzern. Dazu kamen zum Beispiel in Deutschland Flugabwehrpanzer vom Typ Gepard. Seit den 1990er-Jahren hat vor allem die Nato ihre Bestände an solchen Fahrzeugen drastisch verkleinert.

    Einsätze wie in Afghanistan führten dazu, dass die Soldaten vor allem für Gefechte gegen Aufständische ausgerüstet und trainiert wurden. Einen konventionellen Krieg in Europa hielt man lange für undenkbar. Erst seit der russischen Besetzung der Krim und von Teilen der Ostukraine gab es ein Umdenken. Seither trainiert auch die Nato wieder verstärkt das sogenannte "Gefecht der verbundenen Waffen".

    "Schwere Waffen" als Herzstück von Streitkräften

    Um Laien das Geschehen auf einem modernen Schlachtfeld zu beschreiben, benutzen Militärs gerne das Bild eines großen Orchesters, das nur funktioniert, wenn die vielen Musiker mit einer Vielzahl der unterschiedlichsten Instrumente perfekt miteinander harmonieren. Bei der Bundeswehr nennt sich dieses Konzept "Gefecht der verbundenen Waffen". Im Kern steht dabei schweres Gerät, sowohl für die Verteidigung als auch für Offensiven.

    Experten waren deshalb erstaunt, dass bei den russischen Vorstößen zum Beispiel auf Kiew grundlegende Regeln scheinbar missachtet wurden. So gibt es Bilder von Kolonnen russischer Kampfpanzer, die nahezu hilflos gegenüber den ukrainischen Verteidigern waren, da sie nicht von Späh- und Schützenpanzern und Infanteristen begleitet und gedeckt wurden und damit nahezu blind waren. Außerdem mangelte es offenbar an Unterstützung durch Artillerie und Hubschrauber.

    Warum fordert die Ukraine "schwere Waffen"?

    Die Ukraine verfügt zahlenmäßig über eine der stärksten Armeen Europas, ist aber den russischen Invasoren numerisch trotzdem deutlich unterlegen. Zwar konnten die ukrainischen Streitkräfte der russischen Armee – anders als anfangs vermutet – bisher zwei Monate lang stand halten. Anders als offensichtlich von russischer Seite erwartet, erwiesen sich die ukrainischen Verteidiger als vergleichsweise gut ausgebildet und vor allem hoch motiviert.

    Nach Einschätzung der Regierung in Kiew, aber auch von zahlreichen westlichen Militärexperten fehlt es aber – zum Beispiel für Gegenstöße – an modernen schweren Waffen. Ohne zusätzliche Schützen- und Kampfpanzer, Raketen, Artillerie, Hubschrauber und Flugzeuge gelten größere Gegenangriffe als nahezu ausgeschlossen und geradezu selbstmörderisch. Auch die Verteidigung von Städten und Zivilbevölkerung gegen Artillerie-Bombardements sei ohne schwere Waffen mit großer Reichweite unmöglich, argumentiert Kiew.

    Was liefern Nato-Staaten in die Ukraine?

    In den vergangenen Wochen haben deshalb zahlreiche Nato-Staaten angefangen, der Ukraine schwere Waffen zu liefern. Im Mittelpunkt stehen bisher Artilleriesysteme. So stimmte die Bundesregierung nach langem Zögern einem Antrag Estlands zu, Haubitzen aus alten DDR-Beständen nach Kiew weiterzureichen. Zahlreiche weitere Länder haben seither Geschützsysteme geliefert oder wollen dies tun, darunter Großbritannien, Frankreich und die Niederlande. Wichtigster Lieferant sind aber die USA, die bisher die Lieferung von 90 Haubitzen und mehr als 140.000 Schuss Munition angekündigt haben.

    Bei gepanzerten Fahrzeugen wiederum setzt man bisher auf Gerät, das einst im Warschauer Pakt entwickelt und gebaut wurde. Dazu gehören Kampfpanzer des sowjetischen Typs T-72, die zum Beispiel aus Beständen Tschechiens und Sloweniens stammen. Der Vorteil: Die ukrainischen Soldaten sind mit diesen Fahrzeugen vertraut. Darüber hinaus haben westliche Länder wie Großbritannien inzwischen auch die Weitergabe von Hunderten eigener gepanzerter Fahrzeuge an die Ukraine versprochen, etwa den Transporter "Mastiff".

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