Eine Seniorin mit einem Geldbeutel in der Hand
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Eine Seniorin mit einem Geldbeutel in der Hand

    Von der Politik vergessen? Wenn Inflation die Rente auffrisst

    Viele Senioren sind mit ihrer kleinen Rente bisher gerade so ausgekommen, ohne Antrag auf Grundsicherung und ohne belastenden Nebenjob. Doch jetzt treibt die Inflation die Preise in die Höhe - und Tausenden droht der Absturz in die Altersarmut.

    Die Inflation ist mit über sieben Prozent so hoch wie seit Jahrzehnten nicht. Die Preissteigerungen schlagen überall mächtig zu und bringen die Bürger an ihre finanzielle Belastungsgrenze. Das Entlastungspaket der Bundesregierung soll für Erleichterung sorgen. Doch dabei wurde eine Personengruppe offenbar vergessen.

    Viele Rentner bekommen keine Energiepreispauschale

    Zahlreiche Rentner gehen etwa bei der Energiepreispauschale von 300 Euro leer aus. Dazu gehört auch die 73-jährige Ursula Sachs aus Berlin, die von einer kleinen Rente lebt. "Wenn ich jetzt Hartz IV wäre oder sowas, dann würde ich das alles kriegen, aber wenn ich gar nichts bin, nirgendwo drin bin, dann ist das so, dann bekomme ich auch nichts," sagt sie.

    Rentner, die Grundsicherung bekommen, wurden beim ersten Entlastungspacket zwar berücksichtigt. Doch wer zusätzlich arbeitet, bekommt die 300 Euro Unterstützung. Wer hingegen einfach nur eine kleine Rente hat, und keine weiteren Einkünfte, geht leer aus.

    So wie die Münchner Rentnerin Ingeborg Maidhof. Die 83-Jährige ist mit ihrer Rente bisher gerade so über die Runden gekommen. Jetzt aber, da die Inflation steigt, wird das Geld knapp. "Es ist der Wahnsinn, wenn Sie nur mal angucken, was die Butter jetzt kostet", klagt sie, "alles wird teurer."

    Unsoziale Inflation

    Die Inflation trifft die Rentner am unteren Ende der Einkommensskala besonders hart. Denn sie wird vor allem von gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen getrieben.

    Im April lagen die Energiepreise im Vergleich zum Vorjahresmonat laut Statistischem Bundesamt um 35,3 Prozent höher, bei den Grundnahrungsmitteln stieg der Preis für Weizenmehl um 21,4 Prozent, bei Eiern um 24,3 Prozent und bei Butter um 31,3 Prozent.

    Für Prof. Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist das Entlastungspacket der Ausdruck einer Schieflage des Sozialstaats. Vor allem Besserverdienende würden entlastet. So profitieren Menschen mit größeren Autos oder mehreren Fahrzeugen ungleich mehr von der Spritpreispauschale als Rentner, die gar kein Auto haben.

    Statt Milliarden an alle auszuschütten, sieht er die Politik in der Pflicht, die verletzlichsten Gruppen besser zu schützen. "Das gilt vor allem für Rentnerinnen und Rentner mit wenig Einkommen", sagt er im Interview mit der ARD-Sendung report München.

    Entlastung wirkt vor allem bei Besserverdienenden

    Nach Berechnungen des DIW müssen Rentner am unteren Ende der Einkommensskala 5,6 Prozent ihres Einkommens für gestiegene Energiepreise aufbringen, die Entlastungspakete helfen mit 1,5 Prozent. Die Mehrbelastung beträgt 4,1 Prozent. Die größten Verdiener müssen aber nach Abzug der Entlastung nur 1,3 Prozent ihres Einkommens für gestiegene Energiepreise aufwenden.

    Das kritisiert auch Verena Bentele, Präsidentin des größten deutschen Sozialverbandes VDK: "Jemand, der gut verdient, hat nach Abzug von Steuern circa 181 Euro Energiepreispauschale und Rentnerinnen und Rentner mit kleiner Rente bekommen nix."

    Große Enttäuschung bei Rentnern

    Viele Rentner und Rentnerinnen fühlten sich vergessen und von der Politik im Stich gelassen, berichtet Patricia Kokot von der LichtBlick Seniorenhilfe e.V. Die Organisation unterstützt mehr als 20.000 bedürftige Rentner und Rentnerinnen in mehreren deutschen Städten.

    Der Bedarf an Essensgutscheinen und sonstigen finanziellen Hilfen, sei in ihrer Hilfsorganisation seit Beginn des Ukraine-Kriegs enorm gestiegen. Besonders diejenigen, die es mit ihrer kleinen Rente bisher ohne Hilfe geschafft haben, kämen jetzt unter Druck.

    Mehr dazu im Politikmagazin report München, am 24.05.2022 um 21:45 Uhr im Ersten.

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