Die FDP hat eine Botschaft an diesem Dienstag. Es beginnt am späten Vormittag. Plötzlich twittert ein Heer von FDP-Bundestagsabgeordneten: "Wir haben in der Koalition heute den Weg für #eFuels in Deutschland freigemacht." Kurz darauf jubiliert Parteichef Christian Lindner ebenfalls beim Kurznachrichtendienst: "Künftig dürfen in Deutschland #eFuels betankt werden." Es werde möglich sein, dass normale Verbrennerautos klimaneutrale Kraftstoffe tanken, ergänzt FDP-Fraktionschef Christian Dürr. Das sei bislang rechtlich nicht möglich gewesen.
Grüne sprechen von "technischer Anpassung"
Die Grünen sehen das nicht so euphorisch. Katharina Dröge, Fraktionschefin im Bundestag, erklärt, man habe sich auf eine technische Anpassung verständigt, "die das Inverkehrbringen" der synthetischen Kraftstoffe "in Reinform zulässt". Bisher lag die Grenze für Beimischungen bei 26 Prozent. Allerdings sei wichtig, dass es "eine Verbraucherinformation für die Fahrzeugverträglichkeit gibt".
Wissing kündigt Widerstand gegen Verbrenner-Aus an
Nun übernimmt Verkehrsminister Wissing die Fortschreibung des E-Fuel-Dienstags: Eine E-Fuel-Regelung in Deutschland allein reicht ihm nicht. Da die EU-Kommission bislang offenbar keine Anstalten macht, die FDP-Begeisterung für synthetischen Kraftstoffe zu teilen. Deshalb kündigt Wissing an, ein Kernprojekt der EU-Verkehrspolitik zur Not abzulehnen.
Dabei hatte die EU-Kommission - mit Zustimmung Deutschlands - bereist vergangenes Jahr beschlossen, dass ab 2035 nur noch Autos zugelassen werden dürfen, die keine Treibhausgase ausstoßen. Das kommt einem zulassungsverbot für neue Verbrenner gleich. Die FDP hatte mit viel Verve durchgesetzt, dass in den EU-Text die Bitte an die EU-Kommission aufgenommen wird, einen Vorschlag zu unterbreiten, wie klimaneutrale Verbrenner auch nach 2035 noch zugelassen werden können. Klimaneutral würden diese aus FDP-Sicht durch E-Fuels.
Wissing: Ohne Regulierung keine Zustimmung
Dieser Vorschlag sei aber von der Kommission nicht vorgelegt worden, sagt Wissing. Deshalb sieht er sich außer Stande, dem EU-Plan zuzustimmen. Er habe dem zuständigen Klimakommissar Frans Timmermans Gespräche angeboten, sei sogar in Brüssel gewesen. Der sei aber nicht darauf eingegangen. Das Umweltministerium appelliert derweil an Wissing: "Die Automobilkonzerne brauchen Planungssicherheit, damit ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt und Arbeitsplätze gesichert und geschaffen werden können." Viele Autokonzerne wollten deutlich früher als 2035 auf E-Mobilität umstellen.
Klimaneutralität nur mit E-Fuels
Wissing dagegen setzt auf Technologieoffenheit. Und erinnert an die "Bestandsflotte", also jene Autos, die derzeit und auch nach 2035 noch auf der Straße sein werden. Sie fahren weiterhin mit Benzin und Diesel, dürfen auch weiterhin als Gebrauchtwagen gehandelt werden, sind aber eben nicht klimaneutral, solange sie nicht mit neuen Kraftstoffen betankt würden. Wissing ist sich sicher: "Ohne E-Fuels ist Klimaneutralität im Verkehr nicht denkbar."
CSU gegen Verbrenner-Aus
Das sieht die Union ähnlich. Die Vorfestlegung auf E-Mobilität sei falsch, erklärt der stellvertretende Unionsfraktionschef und CSU-Verkehrspolitiker Ulrich Lange auf Anfrage des BR. Auch die Union fordert klimaneutrale synthetische Kraftstoffe, Wasserstoff und Biokraftstoffe einzusetzen. Sie will diese Positionen am Freitag in einem Antrag zur Abgasnorm Euro-7 in den Bundestag einbringen. Das Problem sei, dass Wissings Einsatz viel zu spät kommt, kritisiert Lange. Er hätte "lieber darauf hinwirken sollen, dass die Ampel in Brüssel anständig verhandelt und es erst gar nicht zu einem Aus des Verbrenners kommt".
Forscher: "Batterieelektrisch zu fahren ist effizienter"
Umweltschützer halten die E-Fuel-Lösung für eine Scheinlösung. Und auch E-Fuel-Forscher wie der Karlsruher Professor Roland Dittmeyer erwarten einen Effizienzgrad von 50 Prozent. Das heißt, nur die Hälfte der Energie, die zur Herstellung benötigt wird, steckt im Kraftstoff. "Batterieelektrisch zu fahren ist effizienter", sagte Dittmeyer im Interview mit dem ADAC. Er sieht das Potenzial von E-Fuels vor allem als Kerosinersatz für Flugzeuge.
E-Fuels bräuchten 500 Terawattstunden Strom jährlich
Hinzu kommt der enorme Energiebedarf zur Herstellung synthetischer Kraftstoffe. Die Energie müsste, um das Ziel der Klimaneutralität ansatzweise zu erreichen, komplett aus erneuerbaren Energien stammen. Wissenschaftler des Think Tanks Transport & Environment sagen, würden nur zehn Prozent aller Autos in der EU mit E-Fuels fahren, würde das die jährliche Nachfrage nach erneuerbaren Energien um fast 40 Prozent anheben. Laut einer Rechnung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, bräuchte es 500 Terawattstunden Strom jährlich für die Herstellung der synthetischen Kraftstoffe, um die nach 2030 noch herumfahrenden Verbrenner mit E-Fuels zu betanken. Zum Vergleich: Im Jahr 2021 lag der deutsche Bruttostromverbrauch bei insgesamt 570 Terawattstunden.
Abstimmung im Rat kommende Woche
Bis zum heutigen Dienstag galt das Aus für Verbrenner in Neuwagen als sicher: Nach der EU-Kommission hatte - gegen den Widerstand der Konservativen und mit Zustimmung der Liberalen – vor zwei Wochen auch das EU-Parlament dafür gestimmt. Am kommenden Dienstag steht eine Abstimmung im Rat an, die bis zu Wissings Auftritt nur als Formalie galt. Bleibt es beim Nein der FDP muss sich Deutschland enthalten. Auch Italien und "weitere Staaten" planten laut Wissing nicht zuzustimmen. Dass das Verbot kippt, gilt derzeit trotzdem als unwahrscheinlich.
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