Boris Pistorius (SPD), Verteidigungsminister, wird im Bendlerblock mit militärischen Ehren empfangen.
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Boris Pistorius (SPD), Verteidigungsminister, wird im Bendlerblock mit militärischen Ehren empfangen.

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Boris Pistorius – Tag eins im Amt

So rasant musste wohl noch kein neuer Minister ins Tagesgeschäft einsteigen. Verteidigungsminister Pistorius empfing nur zwei Stunden nach seiner Vereidigung seinen US-Kollegen Austin. Dabei dürfte es um Kampfpanzer für die Ukraine gegangen sein.

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Schloss Bellevue heute Morgen, Punkt acht Uhr. Noch-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und ihr Nachfolger Boris Pistorius betreten den großen Saal, zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (alle SPD). Entlassungsurkunde hier – Ernennungsurkunde dort. Eigentlich eine Formalität. Doch der Bundespräsident nutzt die Gelegenheit, um Christine Lambrecht noch einmal ausführlich zu loben, erwähnt im Schnelldurchlauf die langjährigen politischen Verdienste der SPD-Politikerin. Öffentliche Fürsorge für eine Ministerin, die an ihrer letzten Aufgabe gescheitert ist.

Steinmeier wünscht Pistorius Durchhaltevermögen

An Boris Pistorius gewandt spricht Steinmeier dann von "Bedrohungen, die auch an uns gerichtet sind". Die Bundeswehr müsse wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine jetzt schnellstmöglich "abschreckungsfähig und verteidigungsbereit" werden. Der Bundespräsident wünscht dem neuen Bundesverteidigungsminister "Durchhaltevermögen, gutes Gelingen und eine glückliche Hand".

Stabübergabe im Bendlerblock – erster Gast aus den USA

Mit der Ernennungsurkunde des Bundespräsidenten geht es für Pistorius kurz in den Bundestag. Er schwört den Amtseid, nimmt Gratulationen von Kabinettskollegen und Abgeordneten entgegen und ist nach wenigen Minuten schon wieder weg. Im Bendlerblock, dem Sitz des Bundesverteidigungsministeriums in Berlin, übergibt Lambrecht den Stab an ihren Nachfolger, Abschreiten einer Formation von Soldaten, Nationalhymne und dann die ersten Worte des neuen Verteidigungsministers an die Truppe.

Er nehme sein Amt in "Demut" an und bitte um "die Unterstützung aller". Denn: "Der größte Teil der Zeitenwende liegt noch vor uns", so Pistorius. Kurz danach empfängt er bereits US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. Es geht unter anderem um das internationale Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe morgen auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein.

Wann fällt die Entscheidung über Kampfpanzer für die Ukraine?

Bei der gemeinsamen Presseerklärung von Pistorius und seinem US-Amtskollegen Lloyd Austin versichern beide, dass Deutschland und die USA engste Partner seien. Deutschland und die USA stünden "Schulter an Schulter". Man werde die Ukraine "in enger Abstimmung" weiter unterstützen.

Das Wort Kampfpanzer fällt nicht, doch es wird allgemein erwartet, dass in Ramstein, beim Treffen der Nato-Staaten und weiterer Länder, über weitergehende Waffenlieferungen entschieden wird. Die Forderungen, der Ukraine Leopard-Kampfpanzer zu liefern, werden immer lauter. Deutschland hat hier eine Sonderrolle, da der Leopard aus deutscher Produktion kommt und auch Lieferungen aus Polen oder den baltischen Ländern zustimmen muss. Ganz unabhängig davon, wie viele Panzer Deutschland selbst bereitstellen könnte.

Schlagabtausch im Bundestag: Kampfpanzer und die Bundeswehr

Auf Antrag der Union debattierten gleichzeitig im Bundestag Abgeordnete über die Lieferung von Kampfpanzern. Neben dem Austausch der Argumente für und gegen eine Lieferung solcher Waffen wird die Debatte grundsätzlich: Wer trägt die Schuld an dem desolaten Zustand der Bundeswehr? Obwohl auch hier die meisten Argumente bereits ausgetauscht sind, ragt eine direkte Konfrontation etwas heraus.

Der SPD-Außenpolitiker Dietmar Nietan verweist auf den früheren CSU-Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und seinen Nachfolger, den früheren CDU-Bundesverteidigungsminister Thomas de Maiziére. Beide haben den Sparkurs bei der Bundeswehr eingeleitet, der für die heutigen Probleme verantwortlich gemacht wird. Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt wirft ein: "Ihr wart doch auch dabei". Woraufhin Nietan antwortet: "Der Unterschied ist, dass die SPD öffentlich zugibt, dass Fehler gemacht wurden. Ihr tut das nicht. Und ich weiß, dass du das auch weißt."

Umbau der Bundeswehr - eine Herkulesaufgabe

Tatsächlich scheint es müßig, darüber zu streiten, wer Schuld am schlechten Zustand der Bundeswehr trägt. Seit zwei Jahrzehnten überwog die Überzeugung, die Landesverteidigung werde nicht mehr benötigt. Auslandseinsätze galten als neue Aufgabe der Bundeswehr. Milliarden für Panzer und anderes Gerät zu fordern, schien damals politisch dumm.

Doch die Zeiten haben sich mit dem Angriff auf die Ukraine geändert. Die Bundeswehr jetzt materiell und personell wieder aufzurüsten ist eine Herkulesaufgabe. Und sie gleicht einer Reparatur auf der Autobahn in voller Fahrt. Denn das "Fahrzeug" Bundeswehr muss funktionieren, und gleichzeitig müssen alle Strukturen auseinandergenommen und wieder neu aufgebaut werden. Der neue Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius wird dafür wahrhaftig Durchhaltevermögen und eine glückliche Hand brauchen.

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