Seit Monaten liegt das Rücktrittsgesuch des umstrittenen Kardinals Woelki beim Papst. Noch hat er es nicht beantwortet.
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Seit Monaten liegt das Rücktrittsgesuch des umstrittenen Kardinals Woelki beim Papst. Noch hat er es nicht beantwortet.

    Vergebliches Warten auf eine Erneuerung der Kirche

    In einem Interview stellt der Papst viele Dinge klar – und enttäuscht damit die, die in ihm bisher einen Reformer sahen. So ist das Rücktrittsgesuch Woelkis seit Monaten unbeantwortet, und über die deutschen Reformversuche kann Franziskus nur lachen.

    Nach seiner Wahl zum Papst 2013 eroberte Franziskus schnell die Herzen der Gläubigen und nährte die Hoffnung auf Reformen in der Kirche. Franziskus könnte "die Kirche aus dem selbstgewählten sexualethischen Ghetto befreien", schrieb 2013 etwa die Zeitschrift "Chrismon". Und die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte zu Franziskus' Amtsantritt, viele Gläubige erhofften sich von ihm "Orientierung".

    Papst Franziskus gibt sich immer demütig und bescheiden und wollte vom ersten Tag an nichts von einem päpstlichen Lebensstil wissen. Bei seinem ersten Auftritt nach der Wahl verzichtete er auf Stola und Mozetta. Statt den eigentlich für ihn vorgesehenen Mercedes mit Chauffeur zu nutzen, fuhr er mit einem Bus, holte sein Gepäck im Hotel selbst ab und ging anschließend zu Fuß zum Apostolischen Palast. Bis heute wohnt er in einem Gästehaus. All das förderte die Erwartung von Katholiken in Deutschland, dieser Papst könnte die Reformen durchführen, auf die viele warten: mehr Frauenmitbestimmung, eine Reform von Sexualmoral und Zölibat und eine gerechtere Machtverteilung.

    Köln ist ein Problem-Bistum unter vielen

    Nach einem Interview, das Papst Franziskus den Chefredakteuren von zehn internationalen Jesuiten-Zeitschriften gab, ist nun Ernüchterung eingetreten. So müssen die Gläubigen im Erzbistum Köln wohl noch länger auf einen baldigen personellen Neuanfang warten. Denn Franziskus hat zwar ein Rücktrittsgesuch vom Kölner Kardinal Woelki bekommen – doch seine Antwort lässt seit Monaten auf sich warten. Kühl und distanziert spricht der Papst in dem Interview über die Vorgänge in Köln. Kardinal Woelki erwähnt er kein einziges Mal mit Namen.

    Der Papst stellt darin klar, Köln sei nur ein Problem-Bistum unter vielen. Immerhin zählt die katholische Kirche weltweit mehr als 3.000 Bistümer. Dennoch hat Franziskus Woelki gebeten, eine sechsmonatige Auszeit zu nehmen, bis sich die turbulente Situation in Köln wieder beruhigt habe. "Denn wenn das Wasser aufgewühlt ist, kann man nicht gut sehen. Als er zurückkam, bat ich ihn, ein Rücktrittsgesuch zu verfassen. Er tat dies und gab es mir. Und er schrieb einen Entschuldigungsbrief an die Diözese. Ich habe ihn an seinem Platz gelassen, um zu sehen, was passieren würde, aber ich habe sein Rücktrittsgesuch in der Hand", sagt Papst Franziskus.

    Die in der Zwischenzeit geäußerten Zweifel von Georg Bätzing, dem Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, ob und wie Woelki überhaupt seinen Rücktritt angeboten habe, sind damit vom Tisch. Auch die Behauptungen aus dem Woelki-Lager, der Kardinal habe den Heiligen Vater aus eigenem Antrieb um eine Auszeit gebeten, sind damit widerlegt.

    Franziskus: Brauchen nicht zwei evangelische Kirchen

    Auch über das Reformprojekt der katholischen Kirche in Deutschland, den "Synodalen Weg", spricht der Papst im Interview kritisch. Bei diesem Gesprächsformat diskutieren Kleriker und Laien seit 2018 über mögliche Reformen in den Bereichen Macht, Sexualmoral, Zölibat und die Rolle der Frau in der katholischen Kirche. Lachend wiederholt Franziskus einen Satz, den er Georg Bätzing, dem Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz gesagt habe: "Es gibt eine sehr gute evangelische Kirche in Deutschland. Wir brauchen nicht zwei von ihnen." Franziskus nennt es "problematisch", wenn der Synodale Weg "sehr stark von äußeren Zwängen beeinflusst wird". Gleichzeitig lobt der Papst den Bischof von Stockholm, der sich in einem Offenen Brief an den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz ebenfalls kritisch zum Synodalen Weg in Deutschland geäußert hatte.

    Auch innerhalb der deutschen Bischöfe gibt es immer wieder Kritiker des Synodalen Weges. Und selbst wenn der Synodale Weg abschließend Reformen beschließen würde, wären diese nicht bindend und müssten von den Bischöfen in ihren Bistümern vor Ort nicht umgesetzt werden. Deshalb bleibt die Frage für viele Katholiken, die auf Reformen hoffen, ob dieses Hoffen angesichts Franziskus' Äußerungen im Interview nicht vergebens ist.

    Generalvikar aus Speyer: Enttäuschte Hoffnung

    Ein prominentes Beispiel für jemanden, der den Glauben in die katholische Kirche offenbar verloren hat, ist der ehemalige Generalvikar des Bistums Speyer, Andreas Sturm. Lange hatte er sich für Reformen in der katholischen Kirche starkgemacht. Er förderte die Mitwirkung von Laien, befürwortete die Priesterweihe von Frauen, kämpfte gegen Missbrauch, kritisierte den Zölibat und segnete auch homosexuelle Menschen. Vor rund einem Monat war der 47-Jährige, der bisher Stellvertreter von Bischof Karl-Heinz Wiesemann war, aus der Kirche ausgetreten und als Priester zur alt-katholischen Kirche gewechselt. Dem Evangelischen Pressedienst sagte Sturm, seine Kraft sei am Ende gewesen, und er habe die Hoffnung auf einen Wandel und eine gute Zukunft seiner Kirche aufgegeben.

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