Ein Vater mit zwei Kindern (Symbolbild)
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Vaterschaftsurlaub erst ab 2024 – Berlin sieht keinen EU-Zwang

Der bezahlte Vaterschaftsurlaub von zehn Tagen bei der Geburt eines Kindes kommt – aber später als geplant. Die EU-Kommission hat ein Verfahren eingeleitet. Berlin gibt sich entspannt.  

Eigentlich hätte Deutschland die EU-Richtlinie, die den sogenannten Vaterschaftsurlaub umfasst, Anfang August in nationales Recht umsetzen müssen. Weil das nicht geschehen ist, hatte Brüssel Ende September Druck gemacht: Die EU-Kommission leitete Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und 18 weitere Mitgliedsstaaten ein – darunter Österreich, Frankreich und Spanien. Sie alle erhielten blaue Briefe aus Brüssel: Die Bundesregierung muss erklären, warum sie so lange braucht.

Sie bekam damals zwei Monate Zeit, um das Aufforderungsschreiben zu beantworten und die Umsetzung der Richtlinie abzuschließen; andernfalls kann die Kommission eine Stellungnahme übermitteln. Das sind die üblichen Schritte im Verfahren: Falls die Kommission mit den Antworten nicht zufrieden ist, kann sie die jeweilige Regierung förmlich auffordern, Übereinstimmung mit EU-Recht herzustellen. Sichert ein Mitgliedsstaat dann der Kommission nicht die fristgerechte Umsetzung der Richtlinie zu, kann Brüssel den Europäischen Gerichtshof anrufen, damit der Sanktionen verhängt.  

Kein EU-Zwang zur Freistellung 

Die Bundesregierung ist nach eigenen Angaben zuversichtlich, Strafzahlungen vermeiden und Brüssel rechtzeitig die vollständige Umsetzung der Richtlinie melden zu können. Auf die Elternzeit für Väter kommt es dabei aus Sicht Berlins aber gar nicht an. Denn die Bundesregierung räumt zwar ein, dass bei der EU-Richtlinie "noch wenige nationale Umsetzungsschritte in Deutschland" ausstehen. Dazu zählt nach Angaben der Pressestelle des Bundesfamilienministeriums allerdings ausdrücklich nicht der sogenannte Vaterschaftsurlaub.

Die Begründung: Wenn EU-Staaten während eines mindestens sechsmonatigen Elternurlaubs für jeden Elternteil eine Bezahlung oder Vergütung in Höhe von mindestens 65 Prozent des Nettoeinkommens gewähren (was Deutschland mit dem Elterngeld tut), müssen sie keinen Vaterschaftsurlaub einführen. Trotzdem will die Ampel-Koalition im kommenden Jahr ein Gesetz zur zweiwöchigen Partnerfreistellung nach der Geburt auf den Weg bringen – aber nicht, weil Brüssel Druck macht, sondern weil es der Koalitionsvertrag so vorsieht.  

Wirtschaftliche Schwierigkeiten bremsen 

Eine Sprecherin der EU-Kommission bestätigt auf Anfrage, dass ihre Behörde das Aufforderungsschreiben nach Berlin geschickt hat. Weiter geht sie nicht: "Wir haben nicht die Angewohnheit, laufende Vertragsverletzungen zu kommentieren und werden nicht über mögliche zukünftige Szenarien spekulieren."

Bundesfamilienministerin Lisa Paus hatte nach Einleitung des Verfahrens gegen Deutschland zunächst zugesagt, die neuen EU-Regeln zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf schnell umzusetzen. Das Bundeskabinett habe den Entwurf zur entsprechenden EU-Richtlinie vor der Sommerpause verabschiedet und er liege auch dem Bundestag vor, erklärte die Grünen-Politikerin Ende September. Die Bundesregierung habe Zeit, das umzusetzen, so die Ministerin, und dann werde sich das Vertragsverletzungsverfahren in Luft auflösen.

Ganz so einfach läuft es nicht: Mittlerweile hat Paus angekündigt, die geplante Regelung zum sogenannten Vaterschaftsurlaub im kommenden Jahr vorzubereiten und 2024 einzuführen. Die Ministerin begründete den Aufschub mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage. Die zweiwöchige Freistellung nach der Geburt soll Paus zufolge im Mutterschutzgesetz festgeschrieben werden. Damit würde die EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige erst mit anderthalbjähriger Verspätung in deutsches Recht umgesetzt. Sie will die Gleichstellung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt sicherstellen.  

Luxemburg vorne 

Während Deutschland und viele andere EU-Staaten beim Vaterschaftsurlaub aufholen müssen, liegen in Europa Luxemburg, Norwegen und Portugal vorne bei der Elternzeit für Väter. In Luxemburg können beide Elternteile bezahlten Erziehungsurlaub nehmen, egal ob Arbeitnehmer oder Selbständige. Für Freiberufler gilt eine Ausnahmeregelung. Das Angebot wird angenommen: Fast so viele Männer wie Frauen nehmen sich in Luxemburg wenigstens vier Monate nach der Geburt ihres Kindes frei. Im weltweiten Vergleich bieten Japan und Südkorea besonders langen bezahlten Urlaub für Väter an. 

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