Bei kaum einem Gesetz wird schon so lange über eine Reform diskutiert wie bei der Grundsteuer. Spätestens seit der Wiedervereinigung war klar, dass diese angepasst werden müsste. Doch geschehen ist seither nichts, auch weil sich die Länder untereinander nicht einigen konnten. Der Bundesfinanzhof und die Klagen zweier Immobilienbesitzer haben die Verfassungsrichter auf den Plan gerufen.
Wo liegt das Problem bei der heutigen Grundsteuer?
Die Grundsteuer setzt sich zusammen aus dem sogenannten Einheitswert, der die Bemessungsgrundlage für die Steuer darstellt und sich nach Lage, Nutzung und Bebauung berechnet. Und dieser Einheitswert beruht auf Werten, die zuletzt 1964 im Westen und sogar 1935 im Osten angepasst wurden. Seit dem haben sich die Werte der Grundstücke und der Bebauung natürlich erheblich verändert. Zum Teil sind die Grundstücke gerade in Innenstädten ein Vielfaches wert.
Wie wird Karlsruhe entscheiden?
Die Richter am Bundesverfassungsgericht haben bei der mündlichen Verhandlung im Januar bereits ernsthafte Zweifel geäußert, ob die jetzige Regelung noch verfassungsgemäß ist. Gerade, weil die Einheitswerte nicht mehr angepasst wurden, sprachen Betroffene vor Gericht von einer "Wohnraumsteuer“, die in einem praktisch geheimen und nicht mehr nachvollziehbaren Verfahren erhoben werde. Das verletze den Gleichheitssatz im Grundgesetz.
Wie geht es weiter?
Selbst wenn das Bundesverfassungsgericht die Grundsteuer in ihrer jetzigen Form für verfassungswidrig erklärt, wird es dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist einräumen, in der die alte Regelung weiter gilt. Immerhin nehmen die Städte und Gemeinden mit der Grundsteuer jedes Jahr knapp 13 Milliarden Euro ein.
Vertreter der Länder und des Bundes baten in der mündlichen Verhandlung gar um eine Frist bis 2027. Dies wurde damit begründet, dass es erhebliche Zeit und riesige Kosten verursachen werde, die 45 Millionen Grundstücke neu zu bewerten. Allerdings wird das Gericht darauf sicher nicht eingehen. Das heißt, Bund, Länder und Kommunen müssen zeitnah eine Lösung finden.
Welche Alternativen gibt es?
Die Länder haben zwei verschiedene Modelle schon erarbeitet, konnten sich aber nicht einigen. Beim sogenannten "Kostenwertmodell“ müssten alle 35 Millionen Grundstücke neu bewertet werden. Neben dem riesigen bürokratischen Aufwand befürchten Kritiker eine erhebliche Steuererhöhung. Und die würde alle treffen, denn die Grundsteuer ist für Mieter umlagefähig.
Beim sogenannten "Südländer-Modell“ von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen würde die Grundsteuer nach der Größe und der Nutzfläche berechnet. Die komplizierte Neuberechnung des Grundstückswerts würde entfallen. Allerdings würden die Einnahmen auch nicht so üppig ausfallen.
Auch die Große Koalition hat sich des Themas angenommen: Sie überlegt, laut Koalitionsvertrag, eine "Grundsteuer C“ einzuführen. Hintergrund der Überlegung ist, damit die Spekulation mit unbebauten Grundstücken einzudämmen. Unbebaute Grundstücke würden höher besteuert als bebaute.
Wen würde eine Neuregelung besonders treffen?
Alle Änderungsvorschläge wollen verhindern, dass durch die Umlage besonders Mieter in Ballungsräumen noch stärker belastet werden. Deswegen dürfte die Besteuerung von großen Grundstücken mit einer geringen Bebauung im Verhältnis höher ausfallen als für dicht bebaute Grundstücke. Bei einem Einfamilienhaus in einer Stadt mit mehr als 100.000 Einwohner liegt die Grundsteuer heute etwa 577 Euro. Für eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus liegt die Steuer bei 229 Euro.