Gedenkveranstaltung der Initiative #YesWeCare für die oberösterreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr am Montag, 01. August 2022
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Der Tod der österreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr hat tiefe Betroffenheit ausgelöst.

    Tod von Impfärztin: Suizid bestätigt - Fall vor Parlament

    Die Staatsanwaltschaft Oberösterreich wollte keine Obduktion, da "kein Fremdverschulden" vorliege. Die Familie der toten Impfärztin Kellermayr hatte sich aber dafür ausgesprochen. Abgeordnete im Nationalrat haben zudem Fragen an den Innenminister.

    Für die Staatsanwaltschaft in Wels war der Fall klar: Selbstmord, das heißt im Juristendeutsch "kein Fremdverschulden" - auch wenn ganz Österreich genau darüber leidenschaftlich streitet: Ob es ein "Fremdverschulden" gibt, natürlich nicht im juristischen Sinn.

    Die junge leidenschaftliche Ärztin, die sich so sehr dem Kampf gegen Corona verschrieben hatte, wurde von Impfgegnern und Corona-Leugner im Netz "markiert" und in viralen Hater-Gruppen gejagt, ihre Accounts wurden mit Morddrohungen geflutet. Sie war, schildern Freunde, die mit ihr in letzter Zeit lange im Gespräch waren, zuletzt "traumatisiert, geschockt, verängstigt."

    Kein "Fremdverschulden"?

    Die Umstände des Todes, wie und wo die junge Landärztin aufgefunden wurde, sie sprechen in der Tat dafür, dass sie ganz zum Schluss ganz alleine war. Keine "Fremden" in der Nähe, auch keine, die sie noch hätten retten können.

    Verschwörungstheorien auch nach ihrem Tod

    Zum Erschrecken aller, die der Fall der Lisa-Maria Kellermayr tief bewegt, hörten die Hassbotschaften auch nach ihrem Tod nicht auf. Verschwörungstheorien machten auf Twitter die Runde. Vielleicht deshalb bestanden die Angehörigen Kellermayrs auf einer Obduktion der Toten. Die Staatsanwaltschaft Wels hat diesem Wunsch entsprochen. Die Obduktion ist auch bereits abgeschlossen. Sie hat einen Suizid bestätigt.

    Das gehe aus dem vorläufigem Obduktionsergebnis hervor, teilte die Staatsanwaltschaft Wels am Mittwoch mit. "Insbesondere sind keine Hinweise auf eine Einwirkung von Dritter Hand zu Tage getreten." Das schriftliche Gutachten und die chemisch-toxikologischen Untersuchungsergebnisse würden allerdings noch einige Zeit in Anspruch nehmen, erklärte die Staatsanwaltschaft nach Angaben der Nachrichtenagentur APA.

    Viele drängende Fragen

    Auch der Nationalrat, Österreichs Parlament, zur Zeit in Ferien, wird sich mit dem Fall beschäftigen müssen. Einige Abgeordnete rund um die liberale NEOs-Abgeordnete Stephanie Krisper, haben auf fünf Seiten 38 drängende Fragen an den österreichischen Innenminister Gerhard Karner gestellt. Es geht darum, ob die Polizei in Oberösterreich die Hilferufe der bedrohten Landärztin ernst genug genommen hat, ob und wann sie Polizeischutz erhielt, wie eng die Polizei mit dem in Österreich neu organisierten Verfassungsschutz DSN zusammengearbeitet hat, der einzigen Behörde, deren Chef von Kellermayr kurz vor ihrem Tod gelobt wurde. Am Ende die Frage, ob der Fall Kellermayr polizeiintern ausreichend untersucht werde (die parlamentarische Anfrage liegt dem ARD-Studio Wien vor).

    Dröhnendes Schweigen der politisch Verantwortlichen

    Kritisiert wird ihn Österreich auch das Schweigen der politisch Verantwortlichen, u.a. des Innenministers, der Justizministerin. Das Innenministerium in Wien antwortete auf Anfrage des ARD-Studios Wien nur schriftlich: "Auch Frau Dr. Kellermayr wurde seit November 2021 polizeilich beraten. (...) Dabei wurden alle gesetzlich möglichen Maßnahmen ausgeschöpft."

    Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) war für sein Schweigen kritisiert worden. Am Mittwoch hat er den Angehörigen, Freunden und Patienten Kellermayrs schließlich sein Mitgefühl ausgesprochen. "Wichtig ist, dass die Behörden weiter ermitteln, um jene auszuforschen, die Frau Dr. Kellermayr bedroht haben", betonte er in einer Stellungnahme, "Hass im Netz und persönliche Bedrohungen haben keinen Platz in unserer Gesellschaft".

    "Es ist schrecklich, wenn ein Mensch aufgrund von Hass und persönlichen Bedrohungen keinen anderen Weg mehr sieht, als seinem Leben ein Ende zu setzen", so der Bundeskanzler weiter. Er begrüßte, dass "nun eine Obduktion stattgefunden hat, um Klarheit über die Umstände ihres Todes zu schaffen".

    Kanzler Scholz: Gemeinsam gegen den Hass

    Zu Wort gemeldet haben sich auch Bundespräsident Alexander van der Bellen, der vor der Praxis der Ärztin in Seewalchen am Attersee Blumen niederlegte - und der Gesundheitsminister, dessen beide Vorgänger - ebenfalls von Impfgegnern zermürbt - zurücktraten. Beide fordern ein Ende des Hasses. Flankiert inzwischen auch von Wortmeldungen der deutschen Bundesregierung, Kanzler Olaf Scholz stelle sich gemeinsam "mit den österreichischen Freunden gegen den Hass."

    Auch deutsche Justiz ermittelt

    In Oberösterreich - dort lebte und praktizierte Dr. Kellermayr - meldete sich lediglich die Gesundheitsreferentin und stellvertretende Landeshauptfrau, also: die stellvertretende Ministerpräsidentin zu Wort. Sie forderte mehr Möglichkeiten für grenzüberschreitende Strafverfolgung von Hass-Delikten. Nach Recherchen von BR24 ermittelt die Münchner Staatsanwaltschaft gegen einen Verdächtigen in Bayern, mit Zeitverzögerung, weil die für den Fall in Österreich zuständige Staatsanwaltschaft die Akten zunächst an eine örtlich nicht zuständige Staatsanwaltschaft übermittelt hatte.

    Der Bayerische Rundfunk berichtet - vor allem wegen möglicher Nachahmer-Effekte - in der Regel nicht über Suizide oder Suizidversuche, außer die zuständige Redaktion sieht es durch die Umstände der Tat geboten. Sollten Sie selbst Hilfe benötigen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Beratung erhalten Sie unter der kostenlosen Rufnummer 0800-1110111 oder 0800-1110222. Weitere Hilfsangebote gibt es bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention.

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