Bayern 2-radioWelt: Wie bedeutsam ist die Inbetriebnahme der Telefonleitung zwischen Nord- und Süd?
Prof. Patrick Köllner, Direktor des GIGA Instituts für Asien-Studien: Wir haben es hier mit ersten Signalen zu tun: Kim Jong Un hat bereits in seiner Neujahrsansprache zu erkennen gegeben, dass er an verbesserten Beziehungen zu Südkorea interessiert ist. Das vergangene Jahr stand vor allem im Blickpunkt, was die Nuklear- und Raketenentwicklung angeht, und damit vor allem die Beziehungen zu den USA. Nun weiß Kim Jong Un natürlich auch - wenn es um die Weiterentwicklung der Wirtschaft Nordkoreas geht - dass der Hauptansprechpartner in Seoul sitzt. Insofern könnte jetzt eine Akzentverschiebung eine neue Dynamik in die Gesamtkonstellation auf der koreanischen Halbinsel bringen.
radioWelt: Wie war das denn in den letzten Jahren, als diese Telefonleitung noch deaktiviert war? Haben der Norden und der Süden nie direkt miteinander gesprochen?
Patrick Köllner: Es gibt natürlich immer die Möglichkeit, auch über die Botschaften zu gehen, aber es ist in der Tat wichtig, dass hier wieder eine direkte Verbindung geschaffen wird. Es besteht ja immer die Gefahr von menschlichem Versagen, wenn größere Waffensysteme in Betrieb sind.
radioWelt: Sie haben schon angedeutet, es geht dem Norden vielleicht darum, den Süden wieder an sich zu binden, auch als Gegengewicht zu den USA. Könnte diese Strategie am Ende einen Keil zwischen Südkorea und die USA treiben?
Patrick Köllner: Das bleibt natürlich das ultimative strategische Ziel von Kim Jong Un. Man muss aber auch sehen, dass es der Führung in Nordkorea nun wieder verstärkt darum geht, die ökonomische Entwicklung des Landes in den Fokus zu nehmen. Das ist ja auch das erklärte Ziel der Regierung von Kim Jong Un. Schon 2013 hat man die Doppelstrategie von einerseits wirtschaftlicher Entwicklung und andererseits nuklearer Abschreckung ausgegeben. Die letzten Jahre waren dann vor allem geprägt durch das Voranbringen der nuklearen Entwicklung und der damit verbundenen Trägersysteme. Jetzt fühlt man sich offensichtlich sicherer.
radioWelt: Trotz der aktuellen Entspannungssignale bleibt der Atomkonflikt. Kim Jong Un hat in der Neujahrsansprache mit seinem Atomknopf gedroht. US-Präsident Trump hat gekontert, sein Atomknopf sei noch größer. Für wie gefährlich halten Sie die atomare Dimension dieses Konflikts?
Patrick Köllner: In der Tat wird diese Gefahr immer gesehen und auch in den Vordergrund gestellt. Aber es ist auch klar, dass Nordkorea natürlich weiß, dass Nuklearwaffen das Ende des Landes und damit natürlich auch des Regimes bedeuten würden. Das heißt: Nuklearwaffen sind natürlich auch vor allen Dingen Verteidigungswaffen - insofern sehe ich jetzt keine ultimative oder direkte Bedrohung. Die Situation war gerade im letzten Jahr äußerst angespannt, weil wir es mit bewusster Unberechenbarkeit auf beiden Seiten zu tun hatten. Dann haben die USA eine klare rote Linie gesetzt - also Raketen, die Richtung Guam oder gar amerikanisches Festland geschickt werden, da werden wir dann auch drauf reagieren. In Nordkorea hat man sich seitdem zurückgehalten. Indes würde ich davon ausgehen, dass das Testen von Langstreckenraketen auch weiter erfolgen wird. Hier hat man noch nicht alle technologischen Schritte vollzogen, die notwendig sind, um die entsprechenden Fähigkeiten zu konsolidieren.
radiowelt: Wenn in Kürze die Olympischen Winterspiele in Südkorea beginnen, glauben Sie, dass die auch politisch bedeutsam sind - als Bühne einer Wiederannäherung zwischen Nord und Süd?
Patrick Köllner: Sie könnten zumindest eine gewisse Plattform bieten, um einen Dialog zwischen Nord- und Südkorea anzuschieben. Für Südkorea wäre es natürlich erst einmal sehr wichtig, überhaupt Winterspiele zu haben, die in einem sicheren und stabilen Umfeld stattfinden. Anschließend kann man auch konkret beginnen, auszuloten: Was ist im internationalen Gefüge möglich, um die Beziehungen voranzubringen - in wirtschaftlicher, humanitärer und anderer Hinsicht.