In Tel Aviv haben die neunte Woche in Folge Tausende Menschen gegen die von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angestrebte Justizreform protestiert. Die Demonstranten skandierten am Samstag im Stadtzentrum "Demokratie, Demokratie" oder "Schande", viele schwenkten israelische Flaggen. Auch in anderen Städten des Landes, darunter Jerusalem und Karmiel nahe Haifa, fanden Proteste statt.
Kritiker sehen Gewaltenteilung in Gefahr
Die Justizreform schreitet trotz heftiger Proteste großer Teile der Bevölkerung immer weiter voran. Nach Ansicht der Demonstranten gefährdet das von der rechts-religiösen Regierung geplante Gesetz die Demokratie in dem Land. Das Gesetz würde es dem Parlament unter anderem erlauben, Entscheidungen des Obersten Gerichts mit einer einfachen Mehrheit zu widerrufen - und damit dessen Befugnis zur rechtlichen Überprüfung von Gesetzen fast vollständig abschaffen. Es würde der Regierung zudem die Kontrolle über die Ernennung der Obersten Richter übertragen - derzeit stimmt darüber ein Gremium aus Politikern, Richtern und Mitgliedern der Anwaltskammern ab.
Kritiker sehen durch die Reform die Gewaltenteilung in Gefahr und warnen, dass sich Israel in eine Diktatur verwandeln könnte. Die Regierung argumentiert dagegen, das Höchste Gericht übe derzeit zu viel politischen Einfluss aus.
Das Gesetzesvorhaben könnte dem Regierungschef auch in einem Korruptionsprozess in die Hände spielen, der bereits seit längerer Zeit gegen Netanjahu läuft. Netanjahu hatte am Mittwoch für Empörung gesorgt, als er einen Vergleich zwischen den Demonstranten gegen die Reform und gewalttätigen Siedlern zog, die nach einem Anschlag in der palästinensischen Stadt Huwara schwere Zerstörungen angerichtet hatten.
Proteste dauern bereits seit neun Wochen an
Die seit neun Wochen andauernden Proteste richten sich gegen die Justizreform, aber auch gegen die Politik der Regierung generell. Netanjahu war Ende Dezember mit Hilfe des rechts-religiösen Bündnisses wieder an die Macht gekommen.
Polizeichef Kobi Schabtai betonte am Samstag, man werde es nicht zulassen, dass die zentrale Verbindungsstraße von Tel Aviv nach Jerusalem erneut blockiert werde. Am Mittwoch war es in Tel Aviv bei Protesten zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Blendgranaten ein, um die Menge auseinanderzutreiben. Elf verletzte Demonstranten mussten im Krankenhaus behandelt werden, 39 Menschen wurden festgenommen. Es gab Beschwerden über übertriebene Polizeigewalt.
Mit Informationen von AFP und dpa
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!