In ihrem Bericht zur Lage der Menschenrechte 2016/17 (hier Auszüge) hat Amnesty International (AI) die Situation in 159 Staaten untersucht. Die Bilanz: Die Menschenrechte sind auf dem Rückzug.
"Was wir 2016 sehen, ist, dass die Idee der menschlichen Würde und Gleichheit aufs heftigste angegriffen wurde. Und dies vor allen Dingen von jenen, die entweder versuchen, um jeden Preis an die Macht zu kommen, oder um jeden Preis an der Macht zu bleiben." Markus Beeko, Generalsekretär von Amnesty Deutschland
Immer mehr Menschenrechtsverletzungen
In deutlich mehr Staaten als in den Vorjahren wurden Menschen zu Unrecht gefangen gehalten, gefoltert, mundtot gemacht. Die wachsende Ungleichheit an Vermögen produziert Armutselend auch in wohlhabenden Staaten. Die weltweiten Fluchtbewegungen haben ein neues Rekordniveau erreicht.
Es geht nicht nur um die "üblichen Verdächtigen"
Besonders beunruhigend: Auch in etlichen prinzipiell oder gerade noch demokratischen Staaten geraten die Menschenrechte in Gefahr. Ein (un-)gutes Beispiel bietet die Türkei, wo als "terrorverdächtig" Gebrandmarkte fünf Jahre lang legal in Untersuchungshaft festgehalten werden dürfen. Einer von ihnen: der deutsch-türkische "Welt"-Korrespondent Deniz Yücel, dessen Freilassung aktuell auch die 200 prominenten Unterzeichner eines Appells fordern - von Isabell Allende bis Sting und von Herta Müller bis zum Hertha BSC.
Auf der AI-Sorgenliste von Staaten mit dezidiert negativer Entwicklung stehen auch Ägypten, Polen, die Philippinen und Ungarn, wo AI "eine einmalige Hasspropaganda gegen alle zivilgesellschaftlichen Initiativen und Organisationen" beobachtet. Ein häufiges Problem: Übertreibungen im Kampf gegen Terror und Verbrechen. In den USA beobachtet AI exzessive Polizeigewalt und menschenunwürdige Gefängnisse; in Großbritannien kokettierte Premierministerin May damit, im Kampf gegen den Terror die Menschenrechte einzuschränken.
Häufiger im Fadenkreuz: Minderheiten und die Presse
Nicht immer geht es um staatliche oder institutionelle Gewalt. Oft steckt der Teufel im Detail - der subtilen Diskriminierung und dem mangelnden Schutz von Minderheiten. So weist das Bündnis gegen Trans- und Homophobie Nürnberg zum Tag der Menschenrechte darauf hin, Homosexuelle und Transgender würden "häufiger Opfer von Mobbing und Gewaltverbrechen als andere Bevölkerungsgruppen".
In ungewöhnlich vielen Staaten unter Druck ist derzeit auch die Pressefreiheit - so das Fazit der Organisation "Reporter ohne Grenzen" vom April (zum Überblick).
"Besonders erschreckend ist, dass auch Demokratien immer stärker unabhängige Medien und Journalisten einschränken, anstatt die Pressefreiheit als Grundwert hochzuhalten" ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske.
Wenig spricht dafür, dass sich die Lage in den letzten Monaten seit Erhebung der Amnesty- und RoG-Studien verbessert haben könnte - im Gegenteil. Drei brandaktuelle Problemzonen, die nur auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben.