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Streit ums Kirchenasyl geht weiter

Streit ums Kirchenasyl geht weiter

In Leipzig kommen die Innenminister der Bundesländer heute zu ihrer Konferenz zusammen. Ein Thema: das Kirchenasyl. Die Minister fordern, dass die Kirchen sich künftig stärker zurückhalten - was diese ablehnen. Von Johannes Reichart

Über dieses Thema berichtet: BR24 Infoblock am .

Und wieder ist Post eingetrudelt bei Maria Stadler von den Missionarinnen Christi. Der Absender: das Kriminalfachdezernat der Polizei in München. Eine Vorladung zur Vernehmung – die Ordensfrau wird beschuldigt, Beihilfe zum illegalen Aufenthalt zu geben. Als solches wird das Kirchenasyl von den Behörden formal angesehen. Allen drei Vorladungen ist Maria Stadler bisher nicht gefolgt:

"Beim ersten Mal war's eigenartig. Inzwischen berührt's mich nicht mehr so. Es ist Papier." Maria Stadler

Zwölf weibliche Flüchtlinge haben die Missionarinnen bisher ins Kirchenasyl genommen, aktuell leben eine Nigerianerin und eine Eriträerin im Konvent in München. Viele der Frauen wurden auf der Flucht zur Prostitution gezwungen, ihnen würde dasselbe Schicksal nach einer Abschiebung etwa nach Italien erneut drohen, sagt die 50-jährige Ordensfrau.

Eine alte Tradition - kein Massenphänomen

Das Kirchenasyl ist eine alte Tradition - und vielen Behörden in Deutschland ein Dorn im Auge. Zuletzt schimpfte der Staatssekretär des Bundesinnenministeriums, das Kirchenasyl hebele zunehmend europäische rechtsstaatliche Verfahren aus, indem Kirchen viele Menschen vor der Abschiebung aus Deutschland schützen. Michael Martin von der Evangelischen Landeskirche in Bayern kann die Kritik nicht nachvollziehen:

"Wir hebeln den Rechtsstaat nicht aus, sondern versuchen, das Recht zu seinem Recht kommen zu lassen - dass der Geflüchtete hier sein Verfahren führen kann." Michael Martin

Der Referatsleiter im Landeskirchenamt betont außerdem, dass das Kirchenasyl zahlenmäßig nach wie vor kein Massenphänomen sei. . In Bayern waren laut waren laut Innenministerium im laufenden Jahr bis Oktober 441 Personen im Kirchenasyl, in absoluten Zahlen ist das deutschlandweit Platz eins. Die Zahl der Kirchenasyle bundesweit ist von etwa 700 im vergangenen Jahr auf 1.126 im aktuellen Jahr bis Oktober gestiegen. Bei mehr als 400.000 Asylanträgen in 2017 tatsächlich keine große Zahl.

Der Kirche geht es um Einzelschicksale, dem Staat ums Prinzip

Trotzdem fordern der Bund und viele Länder eine Reduzierung der Kirchenasyle. Denn es geht ums Prinzip – immerhin stemmen sich die Kirchen damit gegen den Rechtsstaat, auch wenn sie sich moralisch auf der richtigen Seite fühlen. Auch das bayerische Justizministerium hat in der Vergangenheit immer wieder das Kirchenasyl kritisiert. Nach mehreren Gesprächen zwischen Kirchenvertretern und den zuständigen Ministerien des Inneren und der Justiz ist man darüber eingekommen, dass die Staatsanwaltschaften zwar die Ermittlungen aufnehmen, weil es das Legalitätsprinzip so vorsieht, aber auf weitergehende Verfolgung bis hin zu einem Strafbefehl verzichten.

Schriftlich teilt ein Sprecher der bayerischen Justiz mit "dass unsere Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Fällen des Kirchenasyls sehr behutsam vorgehen und (…) in der Vergangenheit von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, Verfahren wegen geringer Schuld einzustellen."

Sas Ministerium fordert eine für ganz Deutschland einheitliche rechtliche Lösung für das Kirchenasyl. Wie diese aussehen soll, dazu gab es bisher allerdings keine Information.

Kritik am BAMF

Kirchenvertreter kritisieren indessen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Seit 2015 gibt es eigentlich ein gemeinsames Verfahren zwischen BAMF und Kirchen, demzufolge prüft das Bundesamt die Kirchenasyle intensiv, ob eine Einigung möglich sei. Doch in letzter Zeit habe die Behörde bei fast allen Fällen nicht kooperieren wollen, so Michael Martin von der evangelischen Landeskirche:

"In den letzten Monaten machen wir die Erfahrung, dass unsere eingerreichten Dossiers durch die Bank negativ beschieden werden." Michael Martin

Streitfall "Dublin"

Besonders die Dublin-Fälle sind umstritten zwischen Staat und Kirche. Die Kirche verhindere Rückführungen in EU-Staaten wie die Niederlande oder Spanien, kritisiert das Bundesinnenministerium. Seitens der Kirche lautet die Antwort, dass auch aus EU-Staaten direkt weiter nach Afghanistan oder andere unsichere Drittstaaten abgeschoben werde – und das geltende Recht unzureichend sei. Der Streit um das Kirchenasyl geht also weiter.