ARCHIV - 03.01.2022, Berlin: Marco Buschmann (FDP), Bundesminister der Justiz.
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Justizminister Marco Buschmann

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Strafmündigkeit herabsetzen: Darum ist Buschmann dagegen

Seit Tagen sorgt die Tötung der zwölfjährigen Luise durch nahezu gleichaltrige Mädchen für Entsetzen. Es wird diskutiert, ob die Strafmündigkeit herabgesetzt werden soll. Doch Justizminister Buschmann nennt Gründe, warum er nichts davon hält.

In der Debatte über eine mögliche Senkung des Strafmündigkeitsalters nach der Tötung der zwölfjährigen Luise durch vermutlich zwei nahezu gleichaltrige Mädchen hat sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) zurückhaltend geäußert. Zwar könnten "solch schwere Verbrechen" nicht "folgenlos bleiben", sagte Buschmann der "Bild am Sonntag" (BamS). Doch sollte "jede Debatte über Anpassungen im Strafrecht" mit "kühlem Kopf" geführt werden.

Auch wenn Kinder unter 14 Jahren in Deutschland nicht strafrechtlich belangt würden, halte die Rechtsordnung "bereits Mittel bereit, um auch auf schwere Gewalttaten von Kindern unter 14 Jahren zu reagieren", sagte Buschmann.

Zwölf- und 13-Jährige tatverdächtig

Der Justizminister verwies dabei auf die geschlossene Unterbringung in Heimen oder in der Psychiatrie. Wissenschaftliche Erkenntnisse würden zeigen, dass Kinder eine andere Behandlung als Jugendliche oder Erwachsene brauchen, bekräftigte Buschmann.

Die zwölfjährige Luise aus dem nordrhein-westfälischen Freudenberg war am Samstag als vermisst gemeldet worden. Am Sonntag wurde ihre Leiche in einem unwegsamen Waldgebiet kurz hinter der rheinland-pfälzischen Landesgrenze entdeckt. Am Montag erklärten die Ermittler, dass die Zwölfjährige einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen war. Einen Tag später gaben die Ermittler bekannt, dass eine Zwölfjährige und eine 13-Jährige tatverdächtig seien.

Die Union hatte daraufhin eine Senkung der Strafmündigkeit ins Spiel gebracht. Ihr rechtspolitischer Fraktionssprecher Günter Krings (CDU) wiederholte der "BamS" gegenüber seine Forderung: "Auch zwölf- und 13-Jährige wissen, dass man nicht töten darf. Wir müssen daher die Debatte um eine Herabsetzung des Alters der Strafmündigkeit führen."

Justizminister Buschmann hat sich dagegen ausgesprochen, das Strafmündigkeitsalter zu senken.
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Justizminister Buschmann hat sich dagegen ausgesprochen, das Strafmündigkeitsalter zu senken.

Psychologen halten nichts von Unions-Vorschlag

Psychologen allerdings warnen vor einem derartigen Schritt. Eine gesetzliche Entscheidung etwa auf politischen Druck durch Petitionen oder aus der Allgemeinbevölkerung könnte "fatale Folgen für Kinder und Jugendliche und somit auch für unsere Gesellschaft als Gemeinschaft mit sich ziehen", erklärte der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen und rief zur Besonnenheit auf. Bei einer solchen Debatte müssten alle Aspekte berücksichtigt werden.

Auch der Präsident der Psychotherapeutenkammer NRW, Gerd Höhner, wies Forderungen nach einer Senkung des Alters der Strafmündigkeit zurück. Er sei absolut dagegen: "Das ist ein Appell, der mehr mit den Fordernden zu tun hat, als mit der Forderung selbst. Man will damit die eigene Hilflosigkeit überwinden und fordert etwas, ohne es länger zu bedenken", sagte Höhner der "Rheinischen Post". "Ich glaube auch nicht, dass es etwas nutzen würde. Fangen wir dann an, Kinderstrafanstalten zu errichten?" Die Tat von Freudenberg sei in ihrer Ausprägung ein absoluter Einzelfall, sagte Höhner.

Die Rechtsnorm der Strafmündigkeit ab 14 Jahren habe einen guten Grund: "Das deutsche Strafrecht setzt Schuld für Strafe voraus." Die Strafmündigkeit beinhalte eine moralisch-ethische Reife. "Das Kind muss nicht nur wissen, dass es etwas nicht tun darf, sondern auch intellektuell in der Lage sein, eine äußere Norm für sich selbst zu übernehmen."

Höhner, der jahrelange Erfahrung mit kriminellen Kindern hat, widersprach der Behauptung der Ermittler, dass Erwachsene die Motive der Kinder nicht nachvollziehen könnten. Die grundlegenden Emotionen wie Wut und Eifersucht könnten Erwachsene sehr wohl verstehen. "Es stellt sich eher die Frage, wie man mit Kindern in eine Kommunikation kommt."

Gedenkfeier am Mittwoch

Indes steht der Termin für die Gedenkfeier für die getötete Luise fest. Am kommenden Mittwoch seien alle, die teilnehmen möchten, in die Aula der Esther-Bejarano-Gesamtschule eingeladen, heißt es in einer am Samstag in der "Siegener Zeitung" veröffentlichten Traueranzeige. "Es gibt keine Worte, um das Unbegreifliche zu begreifen. Für uns steht die Welt still", steht neben einem Foto des Mädchens.

Mit Informationen von AFP und dpa

Wenn Kinder von der Tötung durch Kinderhand erfahren, sind die Eltern gefordert, möglichst behutsam gegen mögliche Ängste vorzugehen.
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Wenn Kinder von der Tötung durch Kinderhand erfahren, sind die Eltern gefordert, möglichst behutsam gegen mögliche Ängste vorzugehen.

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