Medizinethikerin Alena Buyx
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Medizinethikerin Alena Buyx

    Sterbehilfe: Ärzte dürfen assistieren – aber wie?

    Nach einem der drei Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe müssen Sterbewillige mit den behandelnden Ärzten verpflichtende Gespräche führen. Im Interview mit dem BR Gesundheitsmagazin erläutert die Medizinethikerin Alena Buyx die aktuelle ethische Debatte.

    Wenn schwerkranke Menschen ihrem Leben ein Ende setzen wollen und dafür Hilfe suchen, fragen sie meist ihren Arzt oder ihre Ärztin. Lange gerieten diese in das Dilemma, dass die Hilfe zum Suizid als unärztlich galt. So stand bis letzten Mai in der Musterberufsordnung der Ärzte: "Ärztinnen und Ärzte dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten." Auf dem Deutschen Ärztetag 2021 wurde dieser Satz gestrichen. Ärzte dürfen nun beim Suizid assistieren - wenn sie wollen - und gefährden damit nicht ihre ärztliche Zulassung.

    Knackpunkt: Patientenwille und Patientenwohl

    Damit seien die ethischen Herausforderungen nicht gelöst, meint die Medizinethikern Prof. Alena Buyx, denn ein Arzt, eine Ärztin muss immer sorgfältig abwägen zwischen dem Nicht-Schadens Gebot und der Förderung von Patientenwille und Patientenwohl. Es sei wichtig, dass die Diskussion darüber, welche medizinischen Maßnahmen im Sinne von Patientenwille und -wohl noch ergriffen werden und welche nicht, stärker geführt wird. Gerade weil die heutige Medizin so viele Möglichkeiten der Behandlung bietet und damit auch das Lebensende hinausschieben kann, ist es wichtig, sich mit den Patienten zu befassen, die keine Therapie mehr wollen, und eben auch mit denen, die medizinische Methoden zum Leben-Beenden ergreifen wollen.

    Todeswünsche ernst nehmen

    Wenn Patienten um Hilfe beim Sterben bitten, sollte man das immer sehr ernst nehmen. Denn dann entwickelt sich oft auch ein Gespräch darüber, ob es um Hilferufe geht, bei denen geholfen werden kann, oder ob besprochen werden soll, welche Maßnahmen noch ergriffen werden sollen. Buyx weist auf die Notwendigkeit von Suizidprävention hin und darauf, dass Ärzte sich bereits jetzt regelmäßig Hilfe bei anderen Berufsgruppen holen, wie Psychologinnen und Psychologen und palliativmedizinischen Teams, um über diese Fragen zu sprechen.

    Immer eine Gewissensentscheidung

    Es gibt zudem eine lange Debatte auch bei Ärztinnen und Ärzten darüber, ob sie Suizid-Assistenz leisten sollten oder nicht. Während einige unterstreichen, dass dies eine Form der Unterstützung im Rahmen einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung darstellen kann, befürchten andere, dass solche Hilfe die Vertrauensbasis im Arzt-Patienten-Verhältnis stören und womöglich die moralische Integrität des ganzen Ärztestandes zerstören würde. Buyx betont, dass es jedenfalls immer um eine Gewissensentscheidung geht:

    "In der Diskussion wird oft betont, dass nicht jeder Arzt, jede Ärztin Suizid-Beihilfe leisten würde, sondern nur diejenigen, die das auch angesichts ihrer eigenen weltanschaulichen Überzeugungen mittragen könnten." Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats

    Zudem werden gegenwärtig eine Reihe von Sicherungsmechanismen besprochen, um alle an der Entscheidung Beteiligten auch rechtlich zu schützen. Aber letztlich liegt die Tatherrschaft bei einem Suizid bei den Patientinnen und Patienten, die zum Beispiel das verschriebene Medikament selbst einnehmen. Besondere Fragen ergeben sich in der Debatte um einen eventuellen Gesetzgebungsprozess in Bezug auf Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Alten- und Pflegeheime. Es ist umstritten, in welchen Einrichtungen Suizid-Beihilfe geleistet werden würde.

    Autonomie am Lebensende

    Wünscht sich der Patient wirklich selbstbestimmt und ohne Druck etwa von anderen die Beendigung seines Lebens? Ist die Patientin ausreichend über Palliativmedizin und Hospizangebote informiert? Dies festzustellen ist eine große Herausforderung. "Ärztinnen und Ärzte prüfen auch in anderen kritischen Entscheidungssituation immer wieder wie freiverantwortlich die Entscheidung von Patienten ist,“ sagt Buyx. Außerdem sind sie geübt in der Arbeit in multiprofessionellen Teams mit ärztlichen Kolleginnen etwa aus der Psychiatrie oder mit Psychologinnen und Psychologen. Multiprofessionelle Teams haben sich in vielen Bereichen der Medizin bewährt. Buyx weist darauf hin, dass vielfach vorgebracht wird, dass Ärztinnen und Ärzte im Prozess der Suizidbeihilfe involviert sein sollten: "Denn sie sind diejenigen, die meistens die Patientinnen und Patienten behandeln und teils auch schon länger begleiten.“

    Bis 2020 regelte Strafrechtsparagraf 217 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe. Das Bundesverfassungsgericht erklärte ihn für verfassungswidrig, weil er das Recht auf selbstbestimmtes Sterben zu sehr einschränke. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht, so das Gericht, schließe die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen. Auf dieser Grundlage kann der Gesetzgeber nun ein neues Gesetz zu Regelung der Sterbehilfe auf den Weg bringen. Bisher liegen drei Gruppenanträge für eine Neuregelung vor. Wann sie kommt ist ungewiss.

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