Angela Merkel, ehemalige Bundeskanzlerin, bekommt von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Großkreuz des Verdienstordens verliehen.
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Angela Merkel, ehemalige Bundeskanzlerin, bekommt von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Großkreuz des Verdienstordens verliehen.

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Steinmeier ehrt Merkel als "beispiellose Politikerin"

Altkanzlerin Merkel hat den höchsten deutschen Verdienstorden erhalten. "Sie haben unserem Land unter nie da gewesenen Herausforderungen neu zu wirtschaftlichem Erfolg verholfen", sagte Bundespräsident Steinmeier zu diesem Anlass.

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) anlässlich der Verleihung des höchsten deutschen Verdienstordens als außergewöhnliche Politikerin gewürdigt.

Als Naturwissenschaftlerin aus Ostdeutschland habe sich Merkel "ohne Vorbilder und ohne Seilschaften Ihren Weg durchs parteipolitische Unterholz suchen und bahnen" müssen, sagte Steinmeier laut vorab verbreitetem Redetext. Viele hätten sie zunächst unterschätzt. Merkel habe dann aber in vielen Ausnahmesituationen und Krisen ihre Kritiker widerlegt.

Er freue sich darüber, die langjährige CDU-Chefin so zu ehren, sagte Steinmeier. "Zu ehren, werte Frau Bundeskanzlerin, für Ihre außergewöhnlich lange Amtszeit und für Ihren außergewöhnlichen politischen Lebensweg, auf dem Sie die Erfahrung der Diktatur so überzeugend einsetzten für die Stärkung der Demokratie."

Steinmeier lobt Fähigkeit zum Kompromiss

Gelungen sei dies Merkel "mit drei herausragenden Fähigkeiten", sagte Steinmeier, der die Altkanzlerin am Montagabend mit dem "Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland in besonderer Ausführung" auszeichnete. Der Bundespräsident nannte das "Beharren auf Fakten", "die Kunst des Verhandelns und die Fähigkeit zum Kompromiss" sowie die "Unbeirrbarkeit", mit der Merkel "ganz grundsätzliche Prinzipien unseres Staates" hochgehalten habe.

Hinzu gekommen sei die Fähigkeit, auch Fehler anzuerkennen und zu korrigieren. Steinmeier nannte dabei die Finanzmarktkrise, in der Merkel die Rolle des Staates neu bewertet habe; den Kurswechsel beim Atomausstieg nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima; und die zurückgezogene "Osterruhe" während der Corona-Pandemie 2021.

"Vielleicht mögen das manche als Schwäche gesehen haben", sagte Steinmeier. "Aber es ist doch genau umgekehrt: Es ist eine Stärke, dass Sie diese Kraft zur Selbstkorrektur vorgelebt haben." Auch dies mache "die Größe Ihrer Kanzlerschaft aus und war auch ein Grund für die Dauer Ihrer Amtszeit".

"16 Jahre lang haben Sie Deutschland gedient - mit Ehrgeiz, mit Klugheit, mit Leidenschaft", so Steinmeier. "16 lange Jahre haben Sie für Freiheit und Demokratie, für unser Land und das Wohlergehen seiner Menschen gearbeitet. Unermüdlich und manchmal bis an die Grenzen Ihrer körperlichen Kräfte."

Bundespräsident: Viel ist geschafft

In Merkels Europapolitik "schwang immer Ihre Überzeugung mit, das einige Deutschland in einem geeinten Europa fest zu verankern", fuhr Steinmeier fort. Dies habe sie "ganz erkennbar in die Tradition von Helmut Kohl" gestellt. Und Merkels Verhandlungskunst habe auch dazu beigetragen, dass der Euro als "unsere gemeinsame europäische Währung weiter Bestand" habe und kein Land aus der Eurozone ausscheiden musste.

Den Satz "Wir schaffen das" habe Merkel trotz wachsender Skepsis in der Bevölkerung im Flüchtlingssommer 2015 gesagt, sagte Steinmeier. Aus seiner Sicht lasse sich heute sagen: "Viel ist geschafft. Mit enormen Anstrengungen und auch mit heftigen Kontroversen. Niemand unterschätzt, Sie selbst am wenigsten, was noch zu tun bleibt."

Um die Verleihung des Ordens, den zuvor nur die Kanzler Konrad Adenauer und Helmut Kohl bekommen hatten, hatte es in den vergangenen Tagen heftige Debatten gegeben. Kritiker werfen Merkel Fehler in der Flüchtlings- oder der Russlandpolitik vor.

Steinmeier erinnerte daran, was die Begleitumstände des Minsker Abkommens 2014 nach der russischen Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim waren. Damals habe man die Ausweitung des Krieges zum Flächenbrand in der gesamten Ukraine verhindern müssen. Es sei weiter richtig, dass Deutschland damals auf Wunsch der Ukraine für ein Waffenstillstandsabkommen mit nachfolgenden Verhandlungen zur Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine gekämpft habe.

Klingbeil: Hat in schwierigen Zeiten das Land geführt

Aus Steinmeiers Partei, der SPD, kamen lobende Worte für die Auszeichnung. "Sie stand 16 Jahre lang an der Spitze des Landes, hat in schwierigen Zeiten auch das Land geführt", sagte SPD-Chef Klingbeil. Die Union scheine derzeit vieles aus Merkels Regierungszeit zu bereuen, in seinen Augen habe Merkel aber gerade in Krisenzeiten viel richtig gemacht.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil bezeichnete die Ehrung Merkels als verdient. "Ich finde es schon einigermaßen absurd, dass derzeit gerade vor allem Sozialdemokraten die Verdienste von Angela Merkel in Erinnerung rufen", sagte der SPD-Politiker. Er habe über Jahre in Krisenzeiten mit Merkel zusammengearbeitet. "Wir haben allen Grund, ihr dafür dankbar zu sein", sagte Weil.

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour sagte, Merkel habe "unser Land mit ihrer Kanzlerschaft wie nur wenige andere" geprägt. "Man muss nicht mit ihrem gesamten Wirken einverstanden sein, um ihre großen Verdienste anzuerkennen."

Linnemann: Es wurden auch Fehler gemacht

Kritische Töne kamen dagegen von anderen Partei - auch aus den eigenen Reihen. Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Carsten Linnemann sagte in der Sendung "Frühstart" von RTL und ntv, es sei offenkundig, dass Merkel "große Verdienste hat, gerade international". Sie habe aber natürlich "auch Fehler gemacht, sogar eklatante".

Es müsse angesprochen werden, dass der Ausstieg aus der Kernkraft nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima "in der Form damals ein Fehler war", sagte Linnemann. Denn er sei erfolgt, "ohne zu sagen, wie wir uns einigermaßen autark mit Energie versorgen wollen". Auch in der Flüchtlingskrise seien "eklatante Fehler" gemacht worden, weil "wir die Grenzen nicht geschützt haben. Das gehört genau so offen angesprochen, wie das Positive."

Auch FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bewertete Merkels Leistung als Regierungschefin skeptisch. "Am Ende ihrer Amtszeit war unser Land in keinem guten Zustand", sagte Djir-Sarai dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). 16 Jahre Einsatz auf dem Posten der Kanzlerin hätten zwar Respekt verdienten. "Aber historische Größe lässt sich in der Politik erfahrungsgemäß erst mit weiterem zeitlichen Abstand erkennen."

Skepsis äußerte auch Linken-Parteichef Martin Schirdewan. "Merkels Bilanz ist zwiespältig und bedarf eher einer kritischen Aufarbeitung als einer Auszeichnung", sagte er dem RND.

Mit Informationen von AFP und dpa

Angela Merkel spricht auf einer Pressekonferenz
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Angela Merkel (Archivbild)

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