USA schießen mutmaßlichen Spionage-Ballon ab.
Bildrechte: dpa-Bildfunk/Chad Fish

Die Überreste des abgeschossenen Ballons in der Luft vor der Küste South Carolinas, daneben ein Kampfflieger der US-Armee.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

USA schießen mutmaßlichen Spähballon ab - und jetzt?

Die US-Armee hat den chinesischen Ballon, der tagelang im US-Luftraum unterwegs war, abgeschossen. Trümmerteile fielen ins Meer, sie sollen jetzt untersucht werden. China reagiert empört, und aus der EU kommt der Ruf nach politischen Konsequenzen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Die Meldung kam am Abend gegen halb zehn Uhr mitteleuropäischer Zeit: Das US-Verteidigungsministerium bestätigte, dass der mutmaßliche Spähballon aus China abgeschossen wurde - über dem Atlantik. Verteidigungsminister Lloyd Austin teilte mit: "Heute Nachmittag haben US-Kampfflugzeuge (...) auf Anweisung von Präsident Biden den von der Volksrepublik China gestarteten und ihr gehörenden Überwachungsballon in großer Höhe über den Gewässern vor der Küste von South Carolina (...) erfolgreich zum Absturz gebracht."

Videobilder zeigen eine Explosion in der Luft - und wie anschließend die Trümmerteile des chinesischen Ballons ins Meer fallen.

Erlaubnis zum Abschuss schon am Mittwoch erteilt

Den Befehl zum Abschuss hatte die US-Armee offensichtlich schon länger: Präsident Joe Biden sagte vor Reportern, als er am Mittwoch über den Ballon informiert worden sei, habe er bereits angeordnet, das Flugobjekt abzuschießen, und zwar "so schnell wie möglich".

Dabei sollte ausgeschlossen werden, dass Menschen am Boden zu Schaden kommen. Man habe deshalb entschieden, den Ballon erst über dem Meer zu Fall zu bringen, aber noch innerhalb des US-Hoheitsgebiets.

Erstmals publik gemacht hatte das US-Verteidigungsministerium die Sichtung des Ballons am Donnerstagabend. Er war über dem US-Bundesstaat Montana entdeckt worden, und zwar über "sensiblem Gebiet": Auf dem Luftwaffenstützpunkt Malmstrom Air Force Base befinden sich amerikanische Atomraketensilos. Später flog der Ballon dann Richtung Südosten über die US-Staaten Kansas und Missouri, schließlich Richtung Atlantikküste über North Carolina.

Mutmaßlicher chinesischer Spionage-Ballon abgeschossen
Bildrechte: Bayerischer Rundfunk 2023
Artikel mit Video-InhaltenVideobeitrag

Mutmaßlicher chinesischer Spionage-Ballon abgeschossen

Luftraum wurde regional gesperrt

Laut Pentagon feuerte ein Kampfflugzeug vom Typ F-22 gegen 14.40 Uhr Ortszeit (20.40 Uhr MEZ) auf den Ballon, als er sich etwa sechs Seemeilen vor der Küste von Myrtle Beach in South Carolina befand. Über Land wäre ein solcher Schritt aus Sicht des Militärs zu gefährlich gewesen, angesichts der Größe des Ballons von ungefähr drei Schulbussen und einer Flughöhe von 18.300 Metern. Die Trümmerteile seien in rund 14 Meter tiefem Wasser gelandet.

China reagiert empört und spricht von "Überreaktion"

Die Staats- und Parteiführung in Peking zeigt sich verärgert: Man sei äußerst unzufrieden und protestiere gegen die Gewaltanwendung, heißt es in einer kurzen Mitteilung auf der Internetseite des chinesischen Außenministeriums. Und China bleibt dabei: Es habe sich um ein ziviles Luftschiff gehandelt, das völlig zufällig und durch höhere Gewalt in den US-Luftraum geflogen sei.

Darüber habe man die USA mehrfach informiert. Selbst das US-Verteidigungsministerium habe gesagt, der Ballon stelle keine Gefahr dar. Dass die USA trotzdem Gewalt angewendet hätten, sei eine "Überreaktion" und verstoße ernsthaft gegen die internationale Praxis. China behalte sich das Recht auf "notwendige Reaktionen" vor. Unklar freilich, was damit gemeint ist.

Die "Ballon-Affäre" belastet die ohnehin schon schwierigen amerikanisch-chinesischen Beziehungen noch mehr. In letzter Zeit hatten vor allem die Taiwan-Frage und Chinas Handelspolitik für Spannungen zwischen beiden Ländern gesorgt.

EVP-Chef ruft zum Schulterschluss mit den USA auf

Auch viele Politiker in Europa zeigen sich aufgeschreckt, unter ihnen der Chef der Europäischen Volkspartei EVP, Manfred Weber. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte er, das Verhalten der chinesischen Führung gegenüber westlichen Staaten werde "deutlich aggressiver".

Die EU muss nach Webers Worten erkennen, dass sie auch in Asien Verantwortung habe, die EU-Staaten müssten sich auf eine gemeinsame China-Strategie einigen. Und weiter: Die "freie Welt" müsse jetzt ihre Kräfte bündeln, zwischen den USA, der EU und weiteren Verbündeten brauche es einen engen Schulterschluss.

US-Armee wertet Trümmerteile aus

Für die USA liegt es auf der Hand, dass China mit dem Ballon nur ein Ziel hatte, nämlich Spionage. Allerdings schätzt das Pentagon die Gefahr nicht als besonders groß ein. Man sei "zu der Erkenntnis gelangt, dass dieser Ballon aus Spionage-Sicht nur eingeschränkte Fähigkeiten hat", hieß es schon am Freitag.

Trotzdem: Die herabgefallenen Trümmerteile dürften jetzt mit Akribie ausgewertet werden. Ein hoher Pentagon-Vertreter erklärte, die Teile befänden sich in relativ flachem Wasser. Das mache die Bergung "ziemlich einfach". Von der Auswertung der Teile erhoffen sich die USA Aufschluss darüber, ob es wirklich ein Spähballon war - und ob China sich damit tatsächlich Informationen beschaffen konnte.

Blinken verzichtet wegen des Ballons auf Besuch in China

US-Außenminister Antony Blinken hätte eigentlich nach China reisen wollen. Der Besuch war für diesen Sonntag geplant gewesen. Die "Ballon-Affäre" war für ihn aber Grund genug, den Besuch im Fernen Osten abzusagen. In einem Telefongespräch mit einem hohen chinesischen Diplomaten betonte er aber auch, die USA wollten weiterhin diplomatische Verbindungen mit China. Er plane einen Besuch, wenn die Bedingungen dafür wieder vorhanden seien, so Blinken.

Zweiter Ballon über Lateinamerika?

Der eine Ballon ist abgeschossen, aber ein zweiter schwebt wohl noch über Lateinamerika. Pentagonsprecher Pat Ryder teilte am Freitag mit, man sei dabei herauszufinden, ob es sich um einen weiteren chinesischen Überwachungsballon handele. Aus Peking ist dazu bisher nichts zu hören.

Mit Material der Agenturen dpa und ap.

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!