Man habe in der Vergangenheit immer wieder versucht, eine stabile Beziehung zu Russland aufzubauen, die auch auf Handel gegründet war, so Barley. Nun habe man sehen müssen, wohin das geführt habe. Für Barley wird das Verhältnis zu Russland "auf absehbare Zeit nicht zu reparieren sein". Niemand könne erwarten, dass da wieder ein Vertrauensverhältnis entstehen könne.
Dobrindt: Wert "Frieden durch Handel" existiert nicht mehr
An diesem Punkt stimmte auch Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, zu. Er habe im Moment wenig Vorstellung, wie Russland nach dem "Zivilisationsbruch" von Putin wieder in die Weltgemeinschaft integriert werden soll. Momentan könne man überhaupt nicht darüber nachdenken, wie man aus Sanktionsmechanismen wieder auszusteigen könnte. Eher das Gegenteil sei derzeit der Fall, so Dobrindt. Die Anstrengungen, Deutschland und Europa unabhängig von russischen Energielieferungen zu machen, sei ein Mittel, um Russland nicht mehr nahe der Handelssysteme und der politischen Systeme in Europa zu haben. "Nicht nur der Frieden ist von Putin zerstört worden, auch die Friedensdividende", so Dobrindt weiter. Der Wert "Frieden durch Handel" existiere nun nicht mehr, weil er von Putin aktiv zerstört worden sei.
Auch neuerliche Waffenlieferungen an die Ukraine stellte Dobrindt in Aussicht. Putin wolle weiter seine Kriegsziele erreichen, deshalb müsse man die Ukraine wehrfähig halten. Hierbei müsse man auch in Deutschland über zusätzliche Waffenlieferungen nachdenken, so Dobrindt.

Alexander Dobrindt in der Münchner Runde
Sanktionen des Westens wirken, haben aber noch kaum Effekte auf den Krieg
Die Sanktionen des Westens scheinen zu wirken. Das könne man an der Volkswirtschaft Russlands sehen, betonte der Politikwissenschaftler Markus Kaim von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Allerdings könne man noch nicht beobachten, dass sich etwas an Putins Kosten/Nutzen-Kalkül verändert habe. Dieser halte aktuell noch an seinem Maximalziel einer Demilitarisierung der Ukraine fest.
Die Osteuropa-Expertin Cindy Wittke vom Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg betonte, dass man die Sanktionen des Westens mehrdimensional betrachten müsse. So müsse man einerseits die Wirkung auf Wladimir Putin selbst, aber auch auf die russische Bevölkerung betrachten. Einen Aufstand der russischen Elite oder gar Massenproteste könne man aber derzeit noch nicht beobachten. Das könne einerseits an der Propaganda Putins liegen, aber er habe auch bei längerer Betrachtung recht hohe Zustimmungswerte zu seiner Regierungsführung, so Wittke. Gleichzeitig sei der Mobilisierungsgrad der russischen Bevölkerung relativ gering. Viele Russen bezeichneten sich selbst als apolitisch. Wenn man das als Grundhaltung sehe, sei die Frage, wann die Bevölkerung so stark von den Sanktionen betroffen sei, dass sie protestiert. Der größte Effekt der Wirtschaftssanktionen gegen Russland sei, dass diese den Krieg Russland verlangsamten und teurer für Russland machten, so die Osteuropaexpertin.
Zahlung von Öl- und Gaslieferungen nur noch in Rubel
Am Mittwoch hatte der russische Präsident Wladimir Putin angekündigt, dass Gaslieferungen in Zukunft nur noch in der russischen Landeswährung Rubel bezahlt werden können. Für die Wirtschaftswissenschaftlerin Karen Pittel vom Münchner ifo Institut ein interessanter Schachzug Putins. Nachdem die Währungsmärkte derzeit relativ illiquide wären, müsse man erst einmal jemanden finden, der einem die Menge an Rubel – täglich im Gegenwert von mehreren Millionen Euro – zur Verfügung stellen könne. Viele spekulierten nun, dass dies durch die russische Zentralbank geschehen müsste. Dies würde dann allerdings wiederum die westlichen Sanktionen unterminieren. „Aus meiner Sicht hat das ein Embargo wahrscheinlicher gemacht“, so Pittel.

Karen Pittel in der Münchner Runde
Ziel: Mehr Unabhängigkeit von russischem Öl und Gas
Einig waren sich alle Teilnehmer der "Münchner Runde", dass Deutschland sich unabhängiger von russischen Energielieferungen machen müsse. Während CSU-Politiker Dobrindt noch einmal für eine begrenzte Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke warb, unterstützte SPD-Politikerin Barley den Kurs der Bundesregierung. Man müsse jetzt noch viel stärker in Richtung erneuerbare Energien arbeiten. Denn auch wenn die Bundesregierung jetzt Verhandlungen mit mehreren Staaten über Flüssiggas-Lieferung führe, "Katar ist nun wirklich nicht das Land, wo ich gerne langfristige Abhängigkeiten eingehen möchte", so Barley.
Die ganze Münchner Runde zum Nachschauen

Münchner Runde am 23.03.2022
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