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Der SPD Bundesvorsitzende Martin Schulz (l) spricht mit dem neugewählten SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.

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SPD-Parteitag - Sondierungsgespräche in eigener Sache

Die SPD hat sich bei ihrem Parteitag unter Schmerzen geöffnet für Gespräche mit der Union. Ein ganz kleines bisschen. Wahrscheinlicher geworden ist eine große Koalition kaum. Nach dem Parteitag ist vor dem Parteitag. Von Achim Wendler

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Wenn sich doch alle Probleme so leicht lösen ließen wie dieses: Irgendwann am Vormittag streckt Heiko Maas auf dem Podium des SPD-Parteitags die Hand hoch, hält etwas Kleines, Rundes zwischen den Fingern und sagt: "Hier ist ein Ehering abgegeben worden!“

Da lachen die Delegierten, ein "Oh!“ geht durch die Reihen. Von links nähert sich Martin Dulig, der Vorsitzende der sächsischen SPD, und bittet um seinen Ring. "Lieber Martin, schönes Wochenende!“, sagt Maas schmunzelnd ins Mikro, und der Parteitag freut sich.

Ansonsten tut die SPD sich schwer.

Ein quälender Entscheidungsprozess steht bevor

Zwar ist die Partei jetzt offen für Sondierungsgespräche mit der Union. Aber dass das noch lange keine Entscheidung für eine neue große Koalition war, wird auf dem Parteitag überall deutlich.

"Ich bin nicht eine Anhängerin der Groko an sich“, sagt Natascha Kohnen, die Vorsitzende der Bayern-SPD. Sie ist als neue Vizechefin der Bundes-SPD eine gesuchte Gesprächspartnerin auf diesem Parteitag. Auf die Frage, warum die SPD bei so überhaupt sondieren soll, antwortet Kohnen: "Wir können uns Gesprächen nicht verschließen.“

Ein bisschen Regieren, ein bisschen mehr Opposition?

Folgende Optionen diskutieren die Sozialdemokraten: eine Groko, die Duldung einer Minderheitsregierung, im äußersten Fall Neuwahlen. Und manche Genossen wollen irgendwie beides: regieren und opponieren. Christine Lambrecht, stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, schwebt diese Art Kooperationsmodell vor: Es könnte ja einen Vertrag geben zwischen Union und SPD, der wichtige Regierungsprojekte festschreibe. Für alles, was einer der Regierungspartner darüber hinaus durchsetzen wolle, müsse er sich dann Lambrecht zufolge die Mehrheiten suchen.

Was wäre das genau: eine heimliche Groko? Eine geduldete Mehrheitsregierung? Eine Minderheitsregierung mit Mehrheit? Fragen, die sich auch viele Genossen stellen. Eines zeigt dieser Vorstoß immerhin deutlich: Beim Versuch der Groko-Vermeidung

Martin Schulz, der halbwegs gestärkte Parteichef, der nach eigenem Bekunden nicht weiß, was er eigentlich anstrebt, schiebt die Groko-Frage weiter auf. Zunächst das Treffen mit der Unionsspitze am Mittwoch, dann erst, am kommenden Freitag, werde der SPD-Vorstand entscheiden, ob es Sondierungen geben werde. Richtig losgehen würde es mit diesen Gesprächen dann im Januar. Ob Koalitionsverhandlungen folgen, entscheidet ein Sonderparteitag im Januar.

"Bitte endlich mal die Schnauze halten"

Natürlich gibt es Stimmen wie die von Johannes Kahrs, dem Sprecher des Seeheimer Kreises. Auch er ist kein Fan der Groko, mit dieser Bezeichnung würde man ihm unrecht tun. 

Aber Kahrs ist dem Bündnis gegenüber vergleichsweise aufgeschlossen. Dafür rät ihm Dietmar Nietan, der Schatzmeister der SPD, er solle „bitte endlich mal die Schnauze halten“. Der Saal jubelt. Eine Delegierte nennt es „dreckig und unfair“, dass Kahrs auf Facebook behauptet hatte, die SPD habe sich „fürs Regieren ausgesprochen“. Auch sie erntet Jubel.

Auf der Suche nach einem Profil

Wer weiter nach der Groko-Linie der SPD fragt, erhält die Antwort: Es komme jetzt auf die Inhalte an. Aber welche Inhalte fordert die SPD eigentlich? Klar, das Recht auf Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit. Die Bürgerversicherung. Eine Mindestrente. Mehr Europa. „Ja, wir sind radikale Europäer!“, schleudert Schulz in seiner Schlussrede dem CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt entgegen, der ihn einen „Europaradikalen“ genannt hatte.

Wäre all das ein Regierungsprogramm? Martin Schulz hatte zu Beginn des Parteitags gesagt: „Unser größtes Problem ist, dass wir unser klares Profil verloren haben.“ Am letzten Tag des Treffens sagt seine bayerische Stellvertreterin Natascha Kohnen: „Wir müssen ein klares Profil haben.“