Die Mehrheit der Bundesbürger kommt nach Einschätzung der Sparkassen wegen der hohen Inflation zunehmend an finanzielle Grenzen.
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Die Mehrheit der Bundesbürger kommt nach Einschätzung der Sparkassen wegen der hohen Inflation zunehmend an finanzielle Grenzen.

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Sparkassen-Präsident: Viele kommen an ihre finanziellen Grenzen

Die steigenden Lebenshaltungskosten zehren einen immer größeren Teil der Einkünfte auf. Sparkassen und Volksbanken befürchten, dass bald 60 Prozent der Haushalte am Monatsende kein Geld mehr übrig haben, um etwas auf die hohe Kante zu legen.

Die Mehrheit der Bundesbürger kommt nach Einschätzung der Sparkassen wegen der hohen Inflation zunehmend an finanzielle Grenzen. "Wir rechnen damit, dass wegen der deutlichen Preissteigerung perspektivisch bis zu 60 Prozent der deutschen Haushalte ihre gesamten verfügbaren Einkünfte – oder mehr – monatlich für die reine Lebenshaltung werden einsetzen müssen", sagte DSGV-Präsident Helmut Schleweis der "Welt am Sonntag".

"Teil der Bevölkerung ist nicht mehr sparfähig"

"Dieser Teil der Bevölkerung ist dann schlicht nicht mehr sparfähig", so Schleweis. Bei 40 Millionen Haushalten bundesweit wäre davon 24 Millionen Haushalte betroffen. Vor einem Jahr waren laut Sparkassen-Vermögensbarometer lediglich 15 Prozent nicht in der Lage, Geld zurückzulegen.

Auch Volks- und Raiffeisenbanken beobachten einen geringeren Spielraum der Kunden. "Die hohe Inflation entzieht den Verbrauchern Kaufkraft, dadurch sinkt die Sparfähigkeit", sagte der Vorstand des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Andreas Martin, der Zeitung. Noch profitierten viele von Ersparnissen, die sich während der Corona-Zeit wegen fehlender Konsummöglichkeiten angesammelt hätten. "Der Spitzenwert der Sparquote lag bei rund 16 Prozent im Jahr 2020, für 2022 erwarten wir eine Rückkehr auf das Vorkrisenniveau von elf Prozent", sagte Martin.

Grünen fordern einen Zinsdeckel für Dispokredite

Bei den Sparkassen rechnet man insbesondere im Herbst und Winter mit einer deutlichen Verschärfung der Situation, gerade bei Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen. Die angespannte Lage zeigt sich laut Deutschem Sparkassen- und Giroverband (DSGV) bereits bei der Überziehung des Girokontos. Wer den sogenannten Dispositionskredit nutze, um kurzfristige Engpässe zu überbrücken, der schöpfe den Rahmen im Durchschnitt inzwischen "deutlich weiter aus".

Die Grünen fordern, die Höhe der Dispozinsen zu begrenzen, die im Schnitt aktuell bei knapp zehn Prozent liegen. "Grundsätzlich halten wir Grüne es für notwendig, Dispozinsen gesetzlich zu deckeln", sagte der Grünen-Finanzpolitiker Stefan Schmidt der "Welt am Sonntag". Der Zinsdeckel solle die Menschen vor ausufernden Kosten schützen.

Lage auch in Bayern angespannt

Prof. Dr. Ulrich Reuter, Präsident des Sparkassenverbandes Bayern, sagte dem BR, er erwarte, dass auch im Freistaat deutlich mehr Dispokredite in Anspruch genommen und Konten überzogen werden. Bei Menschen mit normalem Einkommen merke man, dass jeder Euro zähle und immer weniger in Rücklagen für schwierige Zeiten oder in die Altersvorsorge fließe. "Das macht uns schon Sorgen", so Reuter.

Rentner, Alleinerziehende und Familien mit normalen Einkommen merkten steigende Preise sofort, so Reuter - und das wirke sich auf die Sparkassen aus: "Als erstes hört man auf zu sparen, wenn das Geld knapp wird", so seine Begründung. Sparkassenkunden empfiehlt Reuter, mit einem Berater über den Dispokredit zu sprechen und zu prüfen, ob dieser beispielsweise noch zum Einkommen passe.

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