Gasspeichers der VNG AG in Bad Lauchstädt
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Spaltet Russlands Gas Europa?

    Europäische Solidarität: Spaltet die Frage nach russischem Gas?

    Je näher der Winter rückt, umso mehr drängt sich die Frage auf, ob Europa weiter mit einer Stimme gegen Russland spricht. Vieles hängt dabei von Deutschland ab. War es das mit der europäischen Solidarität, wenn das Gas aus Russland nicht mehr kommt?

    Die EU hat einen Kompromiss gefunden, wie sie gemeinsam sparen und unabhängiger von russischen Energien werden möchte. Doch schon bald wurden hierzulande kritische Stimmen laut: In Wahrheit würden nur die Deutschen sparen. Ein Vorwurf, den der FDP-Politiker Michael Link einordnet: "Manche Staaten wie Polen oder Portugal hatten ihre Speicher schon komplett gefüllt. Und deshalb ist es nur logisch, wenn Deutschland, als ein Staat, der sehr wenig vorgesorgt hat, dadurch auch besonders viel einsparen muss."

    Verhältnisse in der EU ändern sich

    Michael Link ist Bundestagsabgeordneter und war 2012 bis 2013 Staatsminister im Auswärtigen Amt. Er meint, dass sich gerade die Verhältnisse innerhalb der EU ändern. Deutschland sei oft belehrend gewesen, so Link: "Und jetzt, wo die anderen uns helfen sollen mit ihrer Energie, merken wir erst, dass Solidarität innerhalb der EU keine Einbahnstraße sein darf. Und dass man sich immer so ein bisschen auch in die Schuhe des anderen versetzen können muss."

    Warum Deutschland nicht mehr Vorbild, sondern angewiesen auf Hilfe der Nachbarn ist, erklärt Energieökonomin Karen Pittel vom Münchner Ifo-Institut: Bayern sei dafür ein gutes Beispiel: "Wir sind ja aktuell mehr oder weniger von der Kohle unabhängig, also wahnsinnig viel Kohle haben wir nicht im Energiemix. Zumindest nicht das, was in Bayern produziert wird. Da sieht man recht deutlich, wie schwierig es ist, wenn Bayern kein Erdgas mehr in der Stromproduktion einsetzen könnte. Vor allem da sich auch der Leitungsausbau aus dem Norden sehr stark verzögert hat."

    Für Deutschland wird es eng

    Ohne niederländisches, belgisches und norwegisches Gas wird es für Deutschland eng, sagt auch Wirtschaftsminister Habeck. Und auch wenn man sich gerade mit Ausnahme Ungarns einig gibt, warnt Pittel: "Der Test wird dann kommen, wenn es kein Erdgas mehr aus Russland gibt, wenn es bei den 20 Prozent, wenn es wirklich knapp wird. Ob dann tatsächlich die Staaten auch dazu stehen."

    Die Wirtschaftswissenschaftlerin am Münchner ifo-Institut spricht dabei über die immer kleineren Gasmengen, die Russland an Deutschland über die Pipeline Nordstream 1 liefert. Im Krisenplan der EU sind mehrere Ausnahmen vorgesehen, damit Länder nicht sparen müssen. Nur deshalb hat zum Beispiel der slowakische Energieminister zugestimmt. Der sagte, bevor Deutschland andere Länder zum Sparen auffordere, sollte es erst einmal seine eigenen Atomkraftwerke weiterlaufen lassen. FDP-Politiker Link versteht den slowakischen Energieminister, "weil er auf den Fehler hinweist, den die Deutschen sehendes Auges mit Nordstream gemacht haben. Das war ein Crash mit Ansage, was Deutschland dort gemacht hat."

    Denn entgegen der Warnungen vieler osteuropäischen Partner bezieht Deutschland Gas direkt von Russland. Was hinter den Aussagen der Osteuropäer steht, interpretiert Link so: "Wiederholt nicht schon wieder Fehler dadurch, dass ihr jetzt zu früh die Kernkraftwerke abschaltet oder eigene Energiegewinnung in Deutschland durch verstärkte Gasförderung in Deutschland, sei es auf dem Festland oder in der Nordsee, ausschließt."

    Löst die Atomkraft die Probleme?

    Links FDP-Kollege, der Fraktionsführer im Bundestag Christian Dürr, sagte kürzlich, dass man die deutschen Kernkraftwerke länger am Netz lassen müsse, damit man Frankreich vor einer Stromkrise bewahre – aus Solidarität.

    Energieökonomin Karen Pittel ist der Meinung, dass dadurch das Gasproblem nicht alleine gelöst werde. Sechs Prozent unseres Stroms kommt momentan aus Atomkraft. "Aber wir sind in einer Situation, wo man überlegen muss, ob man nicht so viel wie möglich an Kraftwerkskapazitäten laufen lässt, um der potenziellen Krise Herr zu werden."

    Putins Versuch, die Europäische Union zu spalten, könnten also ein weiteres Mal dazu führen, dass Deutschland über seinen eigenen Schatten springen muss. Zuerst geschah dies beim Thema Verteidigung, Ende Februar. Nun könnte es bei der Atomkraft geschehen. Nicht, weil sie Deutschlands Gasproblem lösen würde. Sondern, weil der Rest Europas darauf drängt.

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