Eine grafische Collage: Ein Panzer fährt über einen großen Haufen 100-Euro-Scheine.
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Sind deutsche Rüstungskonzerne die großen Kriegsprofiteure?

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Sind Rüstungskonzerne die großen Kriegsgewinner?

100 Milliarden Euro Sondervermögen, Rheinmetall steigt in den DAX auf, Kanzler Scholz will die heimische Waffenproduktion ankurbeln: Sind deutsche Rüstungskonzerne die großen Kriegsprofiteure? Possoch klärt!

Rheinmetall, Kraus-Maffei Wegmann, Hensoldt, Diehl sind deutsche Rüstungskonzerne. Sie stellen Panzer, Waffen und Co. her und verkaufen diese. Profitieren sie vom Krieg in der Ukraine und werden so zu Kriegsgewinnlern? Dieser Frage geht das neue "Possoch klärt" (Video oben und Link unten) nach. Genau danach gefragt, antwortet Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), trocken: "Das würde ich so nicht sagen."

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind Rüstungskonzerne mehr und mehr in den Fokus gerückt. Angefangen mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr, das vor einem Jahr versprochen wurde, über die Nachricht, dass Rheinmetall inzwischen so viel wert ist, dass das Rüstungsunternehmen in den DAX aufgenommen wird, bis hin zur Aussage Olaf Scholz' (SPD) in seiner Regierungserklärung vergangene Woche, in Deutschland wieder kontinuierlich Waffen produzieren lassen zu wollen. Die Rüstungsbranche ist im Aufwind.

Rheinmetall: Der Aufstieg in den DAX

Rheinmetall aus Düsseldorf beschäftigt 30.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Hälfte davon in Deutschland. Der Konzern stellt unter anderem Militärfahrzeuge, Munition und Flugabwehrsysteme her. Seit Kriegsbeginn wurden nach eigenen Angaben 1.200 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt.

Vor Kriegsbeginn lag der Aktienkurs zwischen 60 und 90 Euro. Heute liegt der Preis der Rhein-Metall-Aktie bei rund 260 Euro. Als Kriegsgewinnler sieht Hans Christoph Atzpodien vom BDSV, der mehr als 200 Unternehmen als Mitglieder führt, die Branche aber nicht.

"In Deutschland gibt es ein öffentliches Preisrecht für Aufträge mit der Bundeswehr. Und das heißt: Die Gewinnmarge ist absolut begrenzt und insofern gibt es hier keine Möglichkeiten, mehr Gewinn zu machen als im Normalfall." Hans Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie

Die Rüstungskonzerne seien Partner und Krisenhelfer.

Im Video: Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann & Co.: Sind Rüstungskonzerne die großen Kriegsgewinnler? Possoch klärt!

Rüstungsindustrie: Krisenhelfer in der Not?

Aus Sicht der Bundesregierung hat das Argument der Branche, Krisenhelfer zu sein, einen Punkt: Teil der Krise ist schließlich der schlechte Zustand der Bundeswehr, den die Ampel-Regierung in Berlin mit 100 Milliarden Euro verbessern will, was nur mit Hilfe der Rüstungskonzerne geht. Laut Atzpodien gehe es dabei um "Verteidigungsfähigkeit" sowie "Abschreckungsfähigkeit" und nicht darum, dass die Waffen auch angewandt würden: "Das ist eigentlich das letzte, was wir als Rüstungsindustrie eines Landes, was auf einen Verteidigungsauftrag ausgerichtet ist, wollen."

Max Mutschler, Konfliktforscher und Rüstungsexperte vom Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC) ist davon nicht überzeugt.

"Leider hat die Rüstungsindustrie in der Vergangenheit – und auch nach wie vor – immer wieder gezeigt, dass ihnen Menschenrechtsbilanz und Frieden und Sicherheit in der jeweiligen Region, wo sie exportiert haben, nicht besonders wichtig waren." Max Mutschler, Bonn International Centre for Conflict Studies

Mutschler führt deutsche Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien, in die Vereinigten Arabischen Emirate und in den Jemen an, die teilweise zu Verletzungen des humanitären Völkerrechts beigetragen hätten.

Rheinmetall-Werk in der Ukraine: 400 Kampfpanzer pro Jahr

Der Vorwurf, in der Rüstungsbranche mache sich seit Kriegsbeginn eine gewissen Goldgräber-Stimmung breit, wird durch Aussagen von Rheinmetall-Chef Armin Papperger zusätzlich hochgekocht: "Für rund 200 Millionen Euro kann ein Rheinmetall-Werk in der Ukraine aufgebaut werden", sagte Papperger der Rheinischen Post.

Die Gespräche mit Kiew seien vielversprechend, der Rheinmetall-Chef hoffe auf eine Entscheidung in den nächsten zwei Monaten. Dann könnten dort 400 Kampfpanzer vom Typ Panther im Jahr hergestellt werden. Und sie haben auch ausgerechnet: 600 bis 800 davon würde die Ukraine brauchen, um Russland zu besiegen.

Rüstungsgeschäfte: Eine Frage der Moral?

Rüstungsexperte Mutschler vom BICC sieht das unternehmerische Ziel von Rheinmetall in diesem Fall weniger kritisch: "Solange die Rüstungsindustrie marktwirtschaftlich organisiert ist, gehört das dazu." Seine Kritik mache Mutschler nicht am Gewinn fest, sondern daran, dass die Rüstungslobby versuche, politisch Druck auszuüben, um bestimmte Regeln "maximal zu ihren Gunsten ausgelegt zu bekommen".

Die Branche schiebe dabei die Verantwortung auf die Politik ab, schließlich müssten alle Exporte von der Bundesregierung genehmigt werden. Aber: "Ich würde die Unternehmen hier nicht aus der Verantwortung rausnehmen. Es sind letztendlich ihre Produkte", sagt Mutschler.

Wie geht es mit der Sicherheit in Europa weiter?

Wenn es um den Stellenwert der Rüstungsindustrie in Deutschland geht, spielt auch die Frage nach der Zukunft der Sicherheit eine Rolle und ob es dafür mehr Waffen braucht. Für BDSV-Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien ist die Antwort klar: "Wenn Sie es aus Sicht einer deutschen Verfassung und einer deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sehen, dann ganz klar: Mehr Waffen [bedeuten] mehr Sicherheit."

Und damit auch weiterhin gute Geschäfte für die Rüstungsindustrie? Konfliktforscher Max Mutschler vom BICC hält das Abschreckungs-Argument für legitim. Es sei falsch zu sagen, Waffen seien immer schlecht oder Waffen seien immer gut: "Es ist wichtig, dass es auch in ein Gesamtkonzept von Sicherheitspolitik und letztendlich auch von Rüstungskontrolle eingebettet ist."

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