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Au-pair mit 68

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Seniorinnen als Au-pairs im Ausland

Die Kinder sind aus dem Haus, das Arbeitsleben ist zu Ende. Und was kommt dann? Immer mehr Menschen in Rente wollen etwas Neues wagen. Sie suchen das Weite - und verabschieden sich als Au-pairs ins Ausland. Von Claudia Wörner

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Charlotte Soua aus Wendelstein bei Nürnberg nimmt sich vor, sich ganz auf Irland einzulassen. Als sie 65 wurde, starb ihr Mann völlig unerwartet. Ihr Leben veränderte sich völlig. Als einer ihrer Enkel ein Jahr in Neuseeland verbrachte, weckte das in ihr einen unerfüllten Mädchentraum.

"Ich habe zu ihm gesagt: 'Mein Gott, Moritz, das hätte ich als junge Frau auch gern gemacht!' Dann sagt er: 'Mach das doch, Oma, du kannst das doch noch machen.' Und als er weg war, habe ich mich gleich hingesetzt und geschaut." Charlotte Soua war mehrmals als Au-pair in Irland.

Ein bisschen Mut und ab

Mit 68 beschloss Charlotte, für vier Monate als Au-pair in Irland zu arbeiten. In Dublin unterstützte sie eine Familie mit einjährigen Zwillingen. Zweifel plagten sie, ob sie trotz ihrer Erfahrung diese Aufgabe meistern kann. Sie ging offensiv damit um, besuchte einen Englischkurs an der Volkshochschule. Die Zeit in Dublin genoss sie sehr.

Vermittlungsportale wie "Granny Aupair" oder der Verein "Madame Grand-Mère" vermitteln Frauen über 50 gegen eine Gebühr an Gastfamilien überall auf der Welt. Wie lange der Aufenthalt der "Au-pair-Omas" dauert, bestimmen die Bewerberinnen selbst. Von zwei Monaten bis zu einem Jahr ist alles möglich. Die Gastfamilien bieten ihnen Kost und Logis, sie bezahlen meistens den Flug und ein Taschengeld, manchmal auch einen Sprachkurs.

Manche Gastfamilien sind anstrengend

Nicht immer läuft für die Seniorinnen im Ausland alles reibungslos. Waltraud Jungkunst aus Nürnberg kennt das. Sie ist Single. Auch nachdem sie nicht mehr als Chefsekretärin arbeitet, wird ihr selten langweilig. Schon mehrmals war sie als Leih-Oma unterwegs, zweimal in Italien, zuletzt sogar in Australien - ein für sie völlig fremdes Land. Die Agentur vermittelte ihr damals eine Gastfamilie mit zwei kleinen Töchtern.

"Mit dem eineinhalbjährigen Mädchen, das war ganz unkompliziert. Das war ein Wonneproppen. Und mit der Dreijährigen war es extrem anstrengend, vor allem am Anfang. Ich durfte sie am Morgen nicht anschauen, dann hat sie schon geweint, geschweige denn ansprechen oder anfassen. Also, es war am Anfang sehr schwierig. Mit der Zeit kam sie dann immer mehr auf mich zu und die letzten vier Wochen kam sie sogar zu mir ins Bett zum Kuscheln. Also, man muss schon sehr flexibel sein und sich einlassen." Waltraut Jungkunst, regelmäßig unterwegs als Granny Au-pair

Neuanfang im Rentenalter

In Prien am Chiemsee hat Kristin Emmerinck den gemeinnützigen Verein "Madame Grand-Mère" gegründet, arbeitet ehrenamtlich als Vermittlerin zwischen Bewerberinnen und möglichen Gastfamilien. In ihrer Kartei führt Emmerinck 500 Frauen. Als frühere Bankerin weiß sie: in Rente zu gehen kann eine ziemliche Herausforderung sein.

"Ältere Menschen wandern ja so ein bisschen an den Rand der Gesellschaft. Sie sind ja auch nicht mehr so wichtig. Weder für die erwachsenen Kinder noch sonst irgendwo in der Gesellschaft. Und mit einem Mal hatte ich eine Aufgabe, die wieder wichtig war. Das hat mir selber für mein eigenes Gefühl ganz viel gegeben." Kristin Emmerick, Gründerin von Madame Grand-Mère

Und wenn es nicht so läuft, wie es sich die Frauen erhofft haben? "Wenn wir feststellen, das ist wirklich unglücklich", sagt Emmerinck, dann rate man den Frauen: "Sie packen ihre Koffer und reisen nach Hause.“ Bei Charlotte Soua war das nicht nötig. Noch heute hat sie regelmäßig Kontakt zu ihrer Gastfamilie in Irland. Noch zwei Mal war sie dort - wieder als Au-pair. Und vielleicht klappt es ja bald auch mit ihrem anderen Traum: Neuseeland.