Altkanzler Gerhard Schröder darf in der SPD bleiben. "Die Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Region Hannover hat festgestellt, dass sich der Antragsgegner Gerhard Schröder eines Verstoßes gegen die Parteiordnung nicht schuldig gemacht hat, da ihm kein Verstoß nachzuweisen ist", heißt es zur Begründung. Die Kommission sieht damit keine Grundlage für eine Rüge oder gar einen Parteiausschluss.
Gegen die Entscheidung kann binnen zwei Wochen Einspruch eingelegt werden. Zuständig für das Parteiordnungsverfahren war die Schiedskommission des SPD-Unterbezirks Region Hannover, weil Schröder Mitglied des dazu gehörenden Ortsvereins Oststadt-Zoo ist. Es sind jedoch noch bis zu zwei weitere Instanzen möglich: der SPD-Bezirk Hannover sowie die SPD-Bundesschiedskommission.
SPD-Chef Lars Klingbeil äußerte sich zurückhaltend zum vorläufigen Scheitern des Parteiordnungsverfahrens. "Die Schiedskommission in Hannover hat eine juristische Entscheidung getroffen", hob Klingbeil hervor. "Für uns steht fest: Politisch ist Gerhard Schröder mit seinen Positionen in der SPD isoliert."
Vorwurf: Schröder hat sich nicht von Russland distanziert
Der ehemalige Bundeskanzler arbeitet seit Ende seiner Amtszeit 2005 als Aufsichtsratsvorsitzender für die Nord Stream AG, die mit Pipelines durch die Ostsee mehr russisches Gas nach Westeuropa bringt. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar geriet Schröder wegen seiner Freundschaft zum russischen Präsidenten Wladimir Putin und seiner Posten bei russischen Energieunternehmen verstärkt in die Kritik.
Die SPD-Spitze drängte den Altkanzler seit Kriegsausbruch, von seinen Posten bei russischen Energieunternehmen zurückzutreten. Im Mai gab Schröder dann seinen Posten im Aufsichtsrat des russischen Energiekonzerns Rosneft auf und lehnte eine Nominierung für einen Sitz im Aufsichtsrat des russischen Gasriesen Gazprom ab. Nach Auffassung vieler SPD-Genossen distanzierte er sich aber nicht ausreichend von Russland. Der Haushaltsausschuss des Bundestages beschloss, das Büro des 78-Jährigen mit zuletzt vier Beschäftigten abzuwickeln, weil er keine Verpflichtungen mehr als Altkanzler für Deutschland wahrnehme.
Kommission: Freundschaft zu Putin kein Verstoß
Gleich 17 regionale Parteivereine beantragten das Ordnungsverfahren gegen Schröder; hinzu kamen weitere Anträge, die den formalen Vorgaben nicht entsprachen. Die Schiedskommission in Hannover verhandelte Mitte Juli parteiöffentlich, aber unter Ausschluss der Medien. Schröder selbst erschien dazu nicht und schickte auch keinen Anwalt.
In ihrer Begründung führte die Schiedskommission aus, mit der Mitgliedschaft in der SPD sei es unvereinbar, einen Angriffskrieg zu fordern oder den kriegerischen Überfall eines Staates auf einen anderen zu rechtfertigen". Dies habe Schröder aber auch nicht getan. "Vielmehr hat er bereits am Tag des russischen Einmarsches in die Ukraine erklärt, die Sicherheitsinteressen Russlands rechtfertigten nicht den Einsatz militärischer Mittel." Auch wenn eine deutlichere Stellungnahme hier "wünschenswert und angebracht" gewesen wäre, entferne er sich mit seinen Äußerungen nicht so weit von der Programmatik der SPD, "dass die Partei dies nicht mehr ertragen müsste".
Das Gremium hält ihm außerdem zugute, dass Schröder trotz seiner Posten in russischen Aufsichtsräten dort nicht für das operative Geschäft zuständig sei. Auch Schröders Festhalten an seiner Freundschaft zu Putin ist nach Auffassung der Schiedskommission kein Verstoß gegen das Parteistatut. Es gehöre vielmehr "zum höchstpersönlichen Bereich der Lebensgestaltung", so "unverständlich oder wenig nachvollziehbar" dies aus sozialdemokratischer Sicht auch sei.
Scharfe Kritik im Vorfeld von Esken
Nach Kremlangaben war Schröder Ende Juli in der russischen Hauptstadt Moskau. Mit Blick auf Russlands Angriff auf die Ukraine erklärte Schröder zwar, es liege in der Verantwortung der russischen Regierung, den Krieg zu beenden. Allerdings dürften die Verbindungen zu Russland nicht komplett gekappt werden. Im Juli erklärte der Altkanzler zudem, er wolle seinen Draht zu Putin weiter aufrechterhalten und glaube nicht an eine militärische Lösung in der Ukraine. "Die gute Nachricht heißt: Der Kreml will eine Verhandlungslösung", sagte er dem Magazin "Stern" sowie den Sendern RTL und ntv.
Die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken kritisierte Schröder für seine Äußerungen über eine angebliche Verhandlungsbereitschaft Putins im Ukraine-Krieg scharf. "Gerhard Schröder agiert nicht als Ex-Kanzler, sondern als Geschäftsmann, und so sollten wir seine Äußerungen auch interpretieren", sagte Esken den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Mit allem, was er tut und sagt, handelt er im eigenen Interesse und in dem seiner Geschäftspartner." Die SPD-Chefin selbst hatte Schröder bereits vor einigen Monaten den Parteiaustritt nahegelegt. Auch in anderen Parteien sowie international stießen Schröders Äußerungen auf scharfe Kritik.
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