Im Industriegebiet von Lubmin enden die Gaspipelines für Nord Stream 1 und Nord Stream 2
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Im Industriegebiet von Lubmin enden die Gaspipelines für Nord Stream 1 und Nord Stream 2

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Bundesregierung stützt Gazprom Germania mit Milliardenbetrag

Die Bundesregierung will Gazprom Germania mit Milliarden stützen, um eine Pleite zu verhindern. Damit solle die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleistet werden, hieß es. Zuvor war von russischer Seite eine Gas-Drosselung angekündigt worden.

Die Bundesregierung verstärkt ihre Kontrolle über das Energieunternehmen Gazprom Germania, das einen erheblichen Teil der Gasspeicher und Gaspipelinenetze in Deutschland kontrolliert. Das Unternehmen werde in "Securing Energy for Europe GmbH" umbenannt und die Treuhänderschaft unter dem Energiesicherheitsgesetz geregelt statt unter dem Außenwirtschaftsgesetz, teilte die Bundesregierung am Dienstag mit.

Zudem soll das Unternehmen einen Kredit in Milliardenhöhe erhalten, um es zu stabilisieren. Nach Angaben aus Regierungskreisen geht es um eine Summe zwischen neun und zehn Milliarden Euro. Geplant sind demnach Hilfen über die staatliche Förderbank KfW.

Nur noch 60 Prozent Gas über Nord Stream 1

Kurz zuvor hatte der russische Energiekonzern Gazprom angekündigt, die Gasliefermengen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Deutschland um 40 Prozent zu reduzieren. Grund seien Verzögerungen bei Reparaturarbeiten durch die Firma Siemens, teilte der Staatskonzern mit.

Ein Gasverdichteraggregat sei von Siemens nicht rechtzeitig aus der Reparatur zurückgekommen, erklärte Gazprom. Deshalb könnten nun nur noch täglich bis zu 100 Millionen Kubikmeter Gas durch die Pipeline gepumpt werden - oder rund 60 Prozent des bisher geplanten Tagesvolumens von 167 Millionen Kubikmeter Gas.

Bundesregierung sieht Versorgung als gesichert an

Die Bundesregierung sieht die Versorgungssicherheit bei Gas nach eigenen Angaben dennoch als gewährleistet an. "Wir beobachten die Lage und prüfen den Sachverhalt", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums.

Siemens: Turbine steckt wegen Sanktionen in Kanada fest

Siemens Energy kann die nach eigenen Angaben in Kanada überholte Gasturbinen derzeit wegen der Russland-Sanktionen nicht an die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 liefern. Siemens Energy habe 2009 Gasturbinen für eine Verdichterstation der Nord Stream 1-Gaspipeline in Russland geliefert, teilte das Unternehmen am späten Dienstagnachmittag mit. Eine Turbine werde derzeit in Montreal überholt.

"Aufgrund der von Kanada verhängten Sanktionen ist es für Siemens Energy derzeit nicht möglich, überholte Gasturbinen an den Kunden zu liefern." Vor diesem Hintergrund habe der Konzern die kanadische und deutsche Regierung informiert und arbeite an einer tragfähigen Lösung.

Wichtigste Gas-Pipeline für Deutschland

Die 1.224 Kilometer lange und 2011 in Betrieb genommene Pipeline Nord Stream 1, die in zwei Strängen durch die Ostsee nach Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern führt, ist die leistungsfähigste Verbindung für russisches Erdgas nach Deutschland. 2021 wurden Unternehmensangaben zufolge mehr als 59 Milliarden Kubikmeter vom westrussischen Wyborg aus transportiert.

Nord Stream 1 ist die einzige Pipeline, die direkt, also ohne Transitländer, von Russland nach Deutschland führt. Ein Abzweig führt nach Tschechien. Seit der Inbetriebnahme liefen bis Ende vergangenen Jahres insgesamt mehr als 441 Milliarden Kubikmeter durch die Pipeline. Sie wurde für einen Betrieb von mindestens 50 Jahren konstruiert, was allerdings nicht mit den Energiewende-Zielen der Bundesregierung vereinbar wäre.

Lieferungen an mehrere EU-Staaten gestoppt

Die russischen Erdgaslieferungen nach Europa sind seit Inkrafttreten der europäischen Sanktionen gegen Moskau wegen des Angriffskrieges gegen die Ukraine deutlich gesunken. Gazprom unterbrach zudem die Belieferung mehrerer europäischer Kunden, weil diese sich weigerten, für das Gas in Rubel zu bezahlen.

Ende April wurden die russischen Gaslieferungen an Polen und Bulgarien gestoppt. Ende Mai folgte der Stopp der Gaslieferungen an die Niederlande. Reduziert ist auch die Durchleitung von russischem Gas durch die Ukraine, die deutlich unter Plan liegt. Bereits durch die bisherigen Einschränkungen hatten sich die Energiepreise erhöht, weil insgesamt weniger Gas von Russland nach Europa fließt.

Ukraine forderte Stilllegung von Nord Stream 1

Die weitgehend parallel verlaufende Pipeline Nord Stream 2 ist zwar fertig gebaut. Die Inbetriebnahme liegt allerdings in Folge des Angriffs Russlands auf die Ukraine auf Eis. Die Ukraine hat auch die Stilllegung von Nord Stream 1 oder zumindest die Drosselung entsprechender Gaslieferungen gefordert.

Teilweiser Lieferstopp im Juli wegen Wartungsarbeiten

Am Montag war bekannt geworden, dass im Juli wegen planungsmäßiger Wartungsarbeiten durch die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 1 über mehrere Tage kein russisches Gas nach Deutschland fließen werde. Beide Leitungen des Doppelstrangs sollten vom 11. bis 21. Juli abgeschaltet werden, hieß es auf der Internetseite des Betreibers. Entsprechende vorübergehende Stilllegungen gab es schon in den Vorjahren.

Bundesnetzagentur: Seit Tagen fallende Liefermengen

Der Bundesnetzagentur zufolge fallen die Liefermengen über Nord Stream bereits seit einigen Tagen. Allerdings heißt es in ihrem Tagesbericht auch: "Die rückläufigen Flüsse aus Nord Stream 1 folgen Marktgeschehen und Händlerverhalten. Der Rückgang folgt auch den ausbleibenden Gasmengen in Folge des Lieferstopps gegenüber den Niederlanden und Dänemark."

Für Deutschland ist Nord Stream die Hauptversorgungsleitung mit russischem Gas. Zuvor war schon die Leitung Jamal-Europa nicht mehr befüllt worden. Auch die Durchleitung von russischem Gas durch die Ukraine liegt deutlich unter Plan.

Nord Stream 1: Ein wichtiges Anliegen für Schröder und Putin

Das Projekt Nord Stream 1 war auf deutscher Seite maßgeblich vom bis 2005 regierenden Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vorangetrieben worden, auf russischer Seite von Präsident Wladimir Putin.

Gesellschafter der Betreibergesellschaft Nord Stream AG mit Firmensitz im schweizerischen Zug sind neben Gazprom mit einem Mehrheitsanteil von 51 Prozent unter anderem Wintershall Dea sowie die Eon-Tochter PEG Infrastruktur AG. Minderheitsanteile halten französische und niederländische Unternehmen.

Berlin-Korrespondent Mario Kubina im BR24 Interview
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Berlin-Korrespondent Mario Kubina im BR24 Interview

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