Verwertbare Lebensmittel aus den Tonnen von Supermärkten holen und am nächsten Tag verteilen. Ein bisschen wie Robin Hood im 21. Jahrhundert. Das sogenannte "Containern", in Deutschland verboten, ist eine der Aktionen der Gruppe "Aufstand der letzten Generation". Seit Ende Januar blockieren die Klima-AktivistInnen aber immer wieder auch Autobahnausfahrten und andere Hauptverkehrsadern, vor allem in Berlin, aber auch in Hamburg und München.
Renate Künast von B’90/Die Grünen war selbst Bundeslandwirtschaftsministerin und setzt sich heute als Mitglied im Agrarausschuss des Bundestags gegen Lebensmittelverschwendung ein. Im Interview mit dem BR-Politikmagazin Kontrovers äußert sie sich zu dieser jüngsten Protestkultur kritisch: "Ich finde grundsätzlich, dass man zivilen Ungehorsam braucht. Habe ich selber gemacht. Das ist ein Stilmittel. Aber ich finde, jede und jeder muss sich immer überlegen: Was löse ich damit aus?" Wenn es am Ende nur noch darum gehe, wie schlimm die begangene Straftat ist, sei das Gesprächsthema verfehlt. Außerdem sollte ziviler Ungehorsam nicht Menschen treffen, die es gar nicht treffen sollte.
- Zum Artikel: Autobahn-Blockaden entfachen Streit über "zivilen Ungehorsam"
"Missverständnis in Sachen Demokratie"
Die Aktivisten wollen ein neues Gesetz erzwingen. Es geht ihnen um das sogenannte Lebensmittelrettungsgesetz. Dafür hatten sie der Politik ein Ultimatum gestellt und blockieren immer wieder Straßen. Dieses Vorgehen unterstützt die Ex-Ernährungsministerin nicht: "Man kann es Erpressung nennen. Es ist zumindest politisch nicht besonders klug und ein Missverständnis in Sachen Demokratie. Demokratie heißt immer Prozesse und verschiedene Interessen zu beachten. Und dann zu sagen: 'Das ist mein Gesetzentwurf! So machst Du es morgen.' Das ist nicht sehr hilfreich. Und das sage ich, obwohl ich das Thema teile und wir dazu Maßnahmen vereinbart haben."
Essen-Retten-Gesetz geht nicht weit genug
Künast unterstützt die Idee eines Essen-Retten-Gesetzes ausdrücklich. Der Gesetzestext, den die Aktivisten mit einem Ultimatum versehen hatten, geht Künast teilweise sogar nicht weit genug, "weil es gar nicht wirklich voll die gesamte Kette mit in den Blick nimmt. Also auch die Frage der Überproduktion ganz am Anfang. Die brauchen sie nämlich, damit am Ende zu viel weggeworfen wird. Das hängt zusammen."
Im Interview mit Kontrovers bedauert Künast, dass sich ihre Partei bei den Koalitionsvereinbaren nicht mit einem vorgesehenen Verbot für Discounter und große Supermärkte durchsetzen konnten, Lebensmittel wegzuwerfen. Aber, immerhin, soweit konnten sich die Grünen dann doch durchsetzen, sei es in den nächsten Wochen und Monaten die Aufgebe des Landwirtschaftsministeriums, ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das stufenweise für alle Bereiche eine Reduktion von weggeworfenen Lebensmitteln beinhaltet. Ein solches Gesetz werde es noch in diesem Jahr geben, da ist sich Künast sicher.
Mit Blick auf das Ultimatum der Klimaaktivisten äußert sie salopp: "Also Demokratie ist doch nicht so, dass ein Ministerium ein Gesetz vom Himmel wirft. Da wäre schon der Bundestag enteignet oder auch der Bundesrat."
"Massive, kritische Debatte über gewählte Mittel"
Angesichts der jüngsten, strafbaren Protestaktionen von Klimaaktivisten ist die Grünen-Politikerin dennoch überzeugt, dass sich eine große Mehrheit der grünen Wählerschaft und der Umweltschutzbewegungen nicht von ihrer Partei verraten fühlt. "Es ist ja nicht so, dass der größte Teil der Klimaschutzbewegung Autobahnen oder Flughäfen blockiert. Sondern da gibt es auch eine massive kritische Debatte über die Frage, welche Mittel man wählt."
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