In einem Telefonat mit Finnlands Präsident Sauli Niinistö hat Kremlchef Wladimir Putin den geplanten Nato-Beitritt Helsinkis als Fehler bezeichnet. Von Russland gehe keine Bedrohung für das Nachbarland aus, betonte Putin nach Kreml-Angaben bei dem Gespräch am Samstag.
Finnlands Abkehr von der traditionellen Neutralität werde zu einer Verschlechterung der bislang guten nachbarschaftlichen Beziehungen führen, warnte er.
Helsinki: Offenes Gespräch ohne Eskalation
Das Gespräch sei auf Initiative des finnischen Präsidenten zustande gekommen, um die Entscheidung für den Nato-Beitritt angesichts der russischen Invasion in die Ukraine zu erläutern, heißt es aus Helsinki. Das Gespräch sei offen und direkt gewesen, sei aber ohne Verschärfung geführt worden, sagte Niinistö laut der Webseite des finnischen Präsidialamts.
Niinistö betonte: "Indem Finnland der Nato beitritt, stärkt es seine eigene Sicherheit und übernimmt Verantwortung." Dennoch hoffe man, weiter mit dem Nachbarn Russland auf praktischer Ebene zusammenzuarbeiten.
Breite Mehrheit im finnischen Parlament erwartet
Die finnische Staatsspitze hatte am Donnerstag erklärt, Finnland solle angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine "unverzüglich" einen Antrag auf Beitritt zur Nato stellen. Mit einer ähnlichen Entscheidung Schwedens wird am Sonntag gerechnet. Nach Jahrzehnten der militärischen Bündnisneutralität ist dies für die beiden Länder ein grundsätzlicher verteidigungspolitischer Richtungswechsel.
Im finnischen Parlament zeichnet sich inzwischen eine breite Mehrheit für den Beitritt ab, denn am Samstag sprach sich die sozialdemokratische Partei von Regierungschefin Sanna Marin deutlich dafür aus. Von den 60 Mitgliedern der Parteiführung stimmten 53 für den Nato-Beitritt. Marin sagte vor Journalisten, sie hoffe darauf, den Beitrittsantrag in der kommenden Woche "zusammen mit Schweden" bei der Nato einzureichen.
In Finnland hat der russische Angriffskrieg auf die Ukraine auch in der Bevölkerung zu einem Meinungsumschwung geführt, so dass nun eine Mehrheit der Finnen für die Mitgliedschaft im Nordatlantikpakt ist. Finnland hat eine 1.340 Kilometer lange Grenze zu Russland, länger als jedes andere EU-Mitgliedsland.
- Zum Artikel: "Welche Folgen hätte ein Nato-Beitritt Finnlands?"
Russland droht mit "militärtechnischen" Reaktionen
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hatte nach der Ankündigung vom Donnerstag gesagt, Russland würde eine finnische Mitgliedschaft in dem westlichen Militärbündnis "definitiv" als Bedrohung ansehen. Das russische Außenministerium erklärte, Moskau sehe sich gezwungen, darauf "militärtechnisch und auf andere Weise" zu reagieren. In der Nacht zum Samstag stoppte Russland nach vorheriger Ankündigung seine Stromlieferungen nach Finnland.
Am Samstag hielt Russland ein Militärmanöver rund um die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad ab. Dabei seien SU-27-Kampfjets zum Einsatz gekommen, berichtet die Agentur Interfax unter Berufung auf die russische Ostsee-Flotte. Sie hätten bei einem simulierten Luftangriff auf Kaliningrad Flugzeuge der Angreifer zerstört.
Baerbock weist Einwände der Türkei zurück
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wies unterdessen Einwände des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen einen Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands zurück. "Jedes demokratische Land sollte erfreut sein", wenn "Demokratien mit starken Verteidigungsfähigkeiten" das westliche Militärbündnis stärkten. "Jedes Land" könne nicht nur über seine Bündnispartner, sondern auch über seine Verteidigungsallianzen "frei entscheiden", so Baerbock. Sie betonte zugleich: "Nicht die Nato hat Schweden und Finnland zum Beitritt gedrängt, sondern das Agieren des russischen Präsidenten hat Finnland und Schweden, weil sie in Frieden leben wollen mit ihren Nachbarn weiterhin, in diese Allianz gedrängt."
Türkei: "Wir schließen die Tür nicht"
Am Freitag sorgte Erdogan mit Einwänden gegen einen Nato-Beitritt in Finnland und Schweden für Irritationen. Der türkische Präsident warf den nordischen Ländern vor, als "Gästehaus für Terrororganisationen" zu agieren. Die Türkei beschuldigt seit langem die nordischen Länder, insbesondere Schweden, wo viele türkische Einwanderer leben, extremistische kurdische Gruppen sowie Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen zu beherbergen.
Ibrahim Kalin, Sprecher von Präsident Erdogan, erklärte am Samstag der Agentur Reuters: "Wir schließen die Tür nicht." Man forderte aber Verhandlungen mit beiden Ländern über deren Umgang mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.
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