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Fake Science (Symbolbild)

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Pseudo-Verlage: Eine Bedrohung für die Wissenschaft

Immer mehr deutsche Wissenschaftler veröffentlichen Arbeiten in Pseudo-Verlagen. Das sind Unternehmen, die wichtige wissenschaftliche Standards nicht einhalten. Die Spuren führen auch nach Bayern, so Recherchen der ARD und der "Süddeutschen Zeitung".

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Plattformen mit Namen wie WASET und OMICS täuschen vor, wissenschaftlich und seriös zu arbeiten. Dabei kann bei diesen Verlagen jeder veröffentlichen, was er möchte – weitgehend, ohne dass ein Fachkollege noch einmal die eingereichten Studien kontrolliert und nach wissenschaftlichen Standards überprüft.

Sinnfreien Wissenschafts-Artikel auf WASET veröffentlicht

Ein Selbsttest von Reportern des NDR belegt, wie einfach es ist, bei solchen Pseudo-Verlagen zu veröffentlichen: Sie verfassten einen komplett sinnfreien Artikel und dachten sich eine Universität aus. Dann reichten sie den Text bei der Fake-Plattform WASET ein – und wurden zu einer angeblich wissenschaftlichen Konferenz nach London eingeladen. Nicht nur das: Die beiden Journalisten des NDR erhielten am Ende auch noch den Preis für den besten Vortrag – obwohl ihr Text keinen Sinn ergab. Die Verlage weisen die Vorwürfe auf Anfrage zurück.

Gerd Antes vom Deutschen Cochrane Zentrum hat kein Verständnis für Forscher, die bei solchen Schein-Verlagen veröffentlichen oder deren Konferenzen besuchen:

"Ich finde es hochgradig unverantwortlich von Wissenschaftlern, dort zu publizieren, wo erkennbar unseriösen Autoren Raum gegeben wird, um die dann aufzuwerten." Gerd Antes, Deutsches Cochrane Zentrum

Pseudo-Verlage: Spuren nach Bayern

Der Bayerische Rundfunk hat gemeinsam mit der Recherchekooperation von NDR, WDR und SZ solche Pseudo-Verlage durchleuchtet. Das Ergebnis: Allein die fünf größten Universitäten in Bayern kommen auf rund 200 Veröffentlichungen auf diesen fragwürdigen Plattformen.

Auch bayerische Unternehmen sind darunter, etwa Siemens und BMW. Oder Framatome, ein Unternehmen, das zur Sicherheit von Kernkraftwerken forscht und in Erlangen eine Niederlassung hat.

Alarmiert scheint das Unternehmen jedoch nicht. In einer schriftlichen Antwort heißt es, dass man die Publikationen und Konferenzbesuche der Mitarbeiter ständig beobachte und verbessere. Siemens schreibt uns, es sei bedauerlich, dass Arbeiten aus dem Unternehmen bei solchen Verlagen gelandet sind – bei der Vielzahl der Veröffentlichungen sei 100-prozentige Sicherheit vor Raubverlegern aber schwer zu erreichen.

BMW hat seine Mitarbeiter aus der Forschung nach eigenen Angaben informiert, nicht mehr bei WASET zu veröffentlichen oder an deren Konferenzen teilzunehmen.

Gerade bei sicherheitsrelevanten Themen, aber auch in der Medizin und Pharmabranche kann unsaubere Forschung gefährlich werden. So finden sich auf den Seiten der Pseudo-Verlage auch angebliche Studien zu Krebsheilmitteln – die keine Behörde zulassen würde.

Harsche Kritik auf Nobelpreisträgertagung

Auf der Nobelpreisträgertagung in Lindau waren die Reaktionen auf die Recherche im Juni eindeutig. Das geht gar nicht, findet der Münchner Chemie-Nobelpreisträger von 1988, Robert Huber: „Das ist Betrug, das muss verfolgt werden, das ist kriminell.“

In den USA läuft bereits ein Verfahren gegen einen der größten Raubverleger, OMICS. Es geht um viel Geld. Denn: Pro Konferenzteilnehmer und Veröffentlichung verlangen die Scheinverlage teilweise mehrere Hundert Euro.

Was sagen die Universitäten in Bayern?

Wir haben die größten Universitäten in Bayern mit unserer Recherche konfrontiert. Die Technische Universität in München ist über das Ausmaß schockiert, glaubt aber, dass viele Wissenschaftler auf die Pseudo-Verlage hereinfallen und unwissentlich bei Scheinverlagen veröffentlichen.

"Für uns sieht es so aus, dass hier sehr professionell auftretende Betrüger am Werk sind, die sich den stark wachsenden Markt der Wissenschaft und der fachlichen Diversifizierung zu nutzen machen wollen und mit verbrecherischen Machenschaften ihre Opfer hintergehen." Antwort Technische Universität München

Mehrere Universitäten wollen nun aufgrund der Recherchen Schritte einleiten, um dem Problem zu begegnen.