Papst Franziskus lehnt eine Reise in die Ukraine ab.
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Papst Franziskus lehnt eine Reise in die Ukraine ab.

    Papst Franziskus will vorerst nicht in die Ukraine reisen

    Trotz wiederholter Einladung lehnt das Oberhaupt der katholischen Kirche einen Besuch in der Ukraine derzeit ab. Nach Einschätzung von Papst Franziskus würde eine entsprechende Reise die "höheren Ziele gefährden", nämlich die Beendigung des Krieges.

    Groß waren die Hoffnungen in der Ukraine, Papst Franziskus möge als Friedensvermittler in das kriegsgeschüttelte Land reisen. Am 22. März, keinen Monat nach Kriegsbeginn, hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in dieser Sache mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche telefoniert. In einem Videostatement sicherte Selenskyj der Weltöffentlichkeit daraufhin zu, sein Land sei in der Lage, "diesen wichtigen Besuch zu organisieren, der jeden von uns, jeden Ukrainer, unmissverständlich unterstützen wird".

    Einen Monat ist das nun her, doch der Papst kam nicht, obwohl er eine Reise Anfang April selbst ins Spiel brachte. Und er kommt auch jetzt nicht, wie er im Interview mit der Zeitung "La Nacion" aus seiner Heimat Argentinien klarstellte. "Was würde es dem Papst nützen, nach Kiew zu reisen, wenn der Krieg am nächsten Tag weitergeht?", gibt Franziskus darin zu bedenken. Er könne "nichts tun, was die höheren Ziele gefährden würde – nämlich ein Ende des Krieges, einen Waffenstillstand oder zumindest einen humanitären Korridor".

    Theologin: Besuch wäre "geistliche Unterstützung für die Menschen"

    Regina Elsner beobachtet die religionspolitische Lage in Russland und der Ukraine am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien in Berlin (ZOIS). Die katholische Theologin hält Franziskus' Einschätzung entgegen: "Der Besuch des Papstes würde den Krieg nicht beenden, aber er wäre mit Sicherheit eine starke geistliche Unterstützung für die Menschen vor Ort."

    Insofern sei auch seine Rückfrage nach dem Nutzen eines Kiew-Besuchs "irritierend": "Jede Reise von internationalen Staats- und Kirchenvertretern und -vertreterinnen sollte doch vor allem dem Ziel dienen, den Menschen in der Ukraine zu nützen."

    "Schieflage in den Aktivitäten des Vatikans"

    Franziskus beteuert in seinem jüngsten Interview indessen, "alles zu tun", was in seiner Macht stünde, um zu einer friedlichen Lösung beizutragen. Dabei müsse sich ein Papst allerdings an diplomatische Gepflogenheiten halten. Öffentliche Kritik an Staatsoberhäuptern oder Staaten sei nicht hilfreich.

    "Was der Papst nur andeutet, ist seine Rücksichtnahme auf Moskau und die Sorge, durch eine zu große Solidarität mit der Ukraine die Verhandlungsmöglichkeiten mit Russland zu erschweren", erklärt die Theologin, teilt aber auch diese Auffassung des Papstes nicht: "Je länger der Krieg dauert, umso problematischer ist dieses Argument. Es sterben und leiden jeden Tag Menschen, während der Papst sein 'gutes Verhältnis' zu dem russischen Patriarchen betont, der diesen Krieg offen rechtfertigt."

    Das sei eine "Schieflage in den Aktivitäten des Vatikans", die aus Sicht der Theologin "sehr fragwürdig" bleibt. In der Ukraine werde dies auch "zu Recht scharf kritisiert".

    Franziskus: Verhältnis zu Putin-nahem Patriarchen "sehr gut"

    Tatsächlich betont Franziskus auch in seinem jüngsten Äußerungen, dass sein Verhältnis zu dem Putin-nahen Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kyrill I. "sehr gut" sei. Er bedauere, dass der Vatikan ein für Juni in Jerusalem geplantes zweites Treffen habe absagen müssen. Eine solche Begegnung hätte unter den derzeitigen Gegebenheiten "zu viel Verwirrung führen können". Dennoch sei aus seiner Sicht Verständigung besser als Konfrontation.

    "Der Vatikan ruht nie", versicherte Franziskus. Es gebe vielfältige Bemühungen und Vermittlungsversuche auf verschiedenen Ebenen. So habe er selbst kurz nach Kriegsbeginn den russischen Botschafter beim Heiligen Stuhl besucht. Konkrete Inhalte der Unterredung nannte der Papst nicht, nur so viel: "Es ist für jeden, der es genau sehen will, klar, dass ich der Regierung signalisiert habe, dass sie den Krieg im nächsten Augenblick beenden kann."

    Jede Art von Krieg sei in der heutigen Zeit "anachronistisch". Darum habe er kürzlich öffentlich die ukrainische Flagge geküsst. Dies sei "eine Geste der Solidarität" mit den Toten, ihren Familien und den Flüchtlingen gewesen.

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