Kanzler Scholz hat wegen der hohen Inflation weitere Entlastungen der Bürger angekündigt
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Kanzler Scholz hat wegen der hohen Inflation weitere Entlastungen der Bürger angekündigt

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Scholz bei der Sommerpressekonferenz: Der Buddha von Berlin

Corona, Krieg und Klimawandel? Bundeskanzler Olaf Scholz will zum Ende seiner Sommerpause demonstrieren: Macht euch keine Sorgen, ich habe das im Griff. Nur bei einem Thema bricht er bei der Sommerpressekonferenz in Berlin aus. Eine Analyse.

Wie ein Buddha sitzt er da. Olaf Scholz blickt konzentriert auf das hölzerne Pult vor sich. Er presst die Lippen aufeinander. Wenn er spricht, ist sein Ton gleichmäßig und ruhig. Vielleicht war es der gerade beendete Wanderurlaub im Allgäu, wo er sich nach eigenen Worten "gut erholt" habe. Hier will jemand zeigen: Ich ruhe in mir.

Mehr als 90 Minuten beantwortet Scholz die Fragen der Hauptstadtjournalistinnen und -journalisten. Die Antworten klingen oft ähnlich: Die Bundesregierung treffe rechtzeitig die richtigen Entscheidungen. Sie arbeite in hohem Tempo, stimme sich eng mit allen Partnern ab und habe alle Herausforderungen im Blick. Das soll eines ausstrahlen: Zuversicht.

Ernste Miene, wenig Grinsen

Das Scholz-typische Grinsen mit zusammengezwickten Augen, das Bayerns Ministerpräsident Markus Söder mal als "schlumpfig" bezeichnet hatte, blitzt nur kurz am Ende der traditionellen Fragerunde auf. Da will eine Journalistin wissen, ob er seine Vorgängerin Angela Merkel vermisse. Seine Antwort: Er telefoniere gerne mit ihr, sei aber jetzt auch gerne Bundeskanzler.

Merkel sorgte durch schnippische Antworten und unfreiwillig lustige Formulierungen regelmäßig für Lacher bei solchen Pressekonferenzen. Scholz bleibt ernst. Dieser Bundeskanzler muss ein Land durch verschiedene, sich überlagernde und gegenseitig verstärkende Krisen führen und macht daraus keinen Hehl: "Wir haben ernste Zeiten, die uns noch viel abverlangen werden." Appelle zum individuellen Verzicht sind allerdings nicht zu hören.

Scholz rechnet nicht mit sozialen Unruhen

Dass es im Herbst und Winter durch steigende Energiepreise zu sozialen Unruhen kommen wird, glaubt der SPD-Politiker nicht. Deutschland sei schließlich ein Sozialstaat. Einmal mehr verspricht er: Niemand wird mit unlösbaren Problemen allein gelassen. Immer wieder zählt er auf, was die Bundesregierung schon alles an Entlastungen auf den Weg gebracht hat oder noch plant: Vom Neun-Euro-Ticket über Einmalzahlungen bis zu einer Wohngeldreform. Vieles davon sei schon beschlossen worden, als es noch niemand gefordert habe. Scholz sieht sich als weitsichtiger Stratege.

Mindestlohn, Erwerbsminderungsrente, sozialer Wohnungsbau: "All diese Dinge kommen." Der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Umbau der Industrie kommen voran wie nie. Die großen Versäumnisse der Vergangenheit würden abgearbeitet.

Kanzler verspricht umfassende Entlastungen

Um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu beschwören, hat der Sozialdemokrat früher gerne vom "Unterhaken" gesprochen. Das darf auch in der Sommerpressekonferenz nicht fehlen. Noch öfter wiederholt er aber die in Fußballstadien beliebte Liedzeile "You’ll never walk alone".

Den Eindruck, dass er im Kanzleramt alleine unterwegs ist und einsame Entscheidungen trifft, will Scholz erst gar nicht aufkommen lassen. Für die Koalition aus SPD, Grünen und FDP sieht er eine Perspektive über vier Jahre hinaus. Ein Koalitionsvertrag sei eben kein Vereinigungsparteitag – mehr ist dem Kanzler nicht über die Zusammenarbeit in der Koalition zu entlocken. Kein Wort über andere Kabinettsmitglieder – bis auf eines.

Lob für Finanzminister Lindner

Die Vorschläge von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zur Abmilderung der sogenannten "Kalten Progression" nennt Scholz "sehr, sehr hilfreich". So einen Inflationsausgleich habe auch der frühere Bundesfinanzminister Olaf Scholz mehrfach gemacht. Der Bundeskanzler spricht wieder einmal in der dritten Person über sich selbst, was ihm regelmäßig den Vorwurf einbringt, von Selbstsicherheit in Arroganz abzugleiten.

Es besser zu wissen als andere – das blitzt manchmal durch. Schon lange habe sich Scholz zum Beispiel dafür stark gemacht, Terminals für Flüssiggas an der Küste zu errichten. Es sei aber versucht worden, "die Debatte zu töten". Jetzt erscheinen die geplanten schwimmenden LNG-Terminals als Ausweg aus der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen. Und Scholz verspricht: Zu Beginn des nächsten Jahres sind die ersten Schiffe zur Umwandlung des Flüssiggases angeschlossen.

Scholz weist Vorwürfe zu Steueraffäre zurück

Während der Blick bei Scholz oft voraus geht, zielen etliche Fragen auf dessen Vergangenheit in Hamburg ab. Dort will ein Untersuchungsausschuss unter anderem klären, ob Scholz eine Steuerrückforderung an die Warburg-Bank verhindert habe. Scholz bestreitet das am Donnerstagmittag einmal mehr und wirkt genervt.

Seit zweieinhalb Jahren sei das Thema. Er habe alles dazu gesagt, wiederhole das aber gerne. Nächste Woche ist der Bundeskanzler im Untersuchungsausschuss in Hamburg eingeladen. Als ein Journalist nachfragt, wird Scholz ungehalten: "Sie könnten diese Tatsachenbehauptung nicht erhärten, wenn sie es müssten." Und es klingt fast wie eine Drohung: "Bedenken sie das, wenn sie so etwas sagen."

Einsilbige Antworten auf Fragen zu Bargeldfund

Einsilbig antwortet der Bundeskanzler auch auf Fragen nach dem Bargeldfund bei seinem Hamburger Parteifreund Johannes Kahrs. Was er darüber wisse? "Nix." Ob er aktuell Kontakt zu dem früheren SPD-Bundestagsabgeordneten habe? "Nein." Woher das Geld stamme? "Keine Ahnung." Das würde er auch gerne wissen.

Sechsmal fragen die Journalistinnen und Journalisten nach Steueraffäre und Bargeldfund. Neues ist dabei nicht zu erfahren. Aber es sind die seltenen Momente, in denen die buddhistische Ruhe des Bundeskanzlers an ihre Grenzen kommt.

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