SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz
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Olaf Scholz: Der SPD-Kanzlerkandidat im Porträt

Den SPD-Vorsitz konnte Olaf Scholz nicht holen, wurde dann aber Kanzlerkandidat. Das zeigt, dass er von seiner Partei vielleicht nicht heiß und innig geliebt, aber durchaus geschätzt wird - unter anderem wegen seines Pragmatismus.

Mitreißende Dynamik, aufpeitschende Reden, überschäumende Emotionen. All das verbindet wohl niemand mit Olaf Scholz. Er selbst vermutlich auch nicht. Auch wenn der gebürtige Osnabrücker "mehr lacht als die Leute denken". Das teilt er mit, wenn er danach gefragt wird.

Olaf Scholz - ein typischer Norddeutscher

Scholz ist zwar erst im Alter von drei Jahren aus Osnabrück nach Hamburg-Altona gezogen, gilt aber als personifizierter Hanseat – und pflegt einen norddeutschen Stoizismus, den er manchmal mit einem verschmitzten Grinsen und den dazugehörigen ironischen Bemerkungen verziert. Das Scholzsche Charisma wird vor allem im hanseatischen Raum geschätzt – jenseits von Norddeutschland tut man sich schon schwerer damit.

Mit 17 trat der junge Olaf in die SPD ein, damals noch ein recht unsportlicher Gymnasiast, der froh war, wenn er dem Sportunterricht entkommen konnte. Mittlerweile joggt er regelmäßig und rudert, wann immer er es einrichten kann. Eine der wenigen Metamorphosen des Olaf Scholz, die er vor allem seiner Frau Britta Ernst, auch sie ist Politikerin, zu verdanken hat. Ernst hat es auch geschafft, dass der Hanseat Scholz mittlerweile im brandenburgischen Potsdam wohnt und Brandenburg zu seiner zweiten Heimat erklärt. Auch dass er sich im Kampf um den SPD-Vorsitz mit der Brandenburgerin Klara Geywitz zusammentat, ist auf diese Connection zurückzuführen. Ernst und Geywitz kennen sich aus dem Potsdamer Landtag – Scholz' Frau ist dort Bildungsministerin.

Scholz politische Karriere beginnt spät

Als Berufspolitiker ist Olaf Scholz tatsächlich eher ein Spätstarter - auch wenn man sich das kaum vorstellen kann. Erst im Alter von 40 Jahren wurde der Jurist in den Bundestag gewählt. Zuvor hatte er in Hamburg Abitur gemacht, Jura studiert und eine Anwalts-Kanzlei gegründet, die sich vor allem mit Arbeitsrecht befasst und die es immer noch gibt. Arbeitsrecht und -gerechtigkeit ist denn auch das zentrale Thema im Leben des Olaf Scholz. Als Jurist hatte er genau mit diesen Fragen zu tun: Wer verdient wie viel oder wie wenig? Was passiert nach dem Verlust des Arbeitsplatzes?

Anders als viele Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten kommt Olaf Scholz nicht von weit links des politischen Spektrums – Hamburg verpflichtet. Der dortige Juso-Verband gilt als der konservativste innerhalb der SPD-Jugendorganisation, und das Wildeste an der Juso-Zeit von Olaf Scholz war seine Frisur. Seine Karriere spielt sich hauptsächlich in und aus Hamburg ab: Er ist dort SPD-Vorsitzender, Innensenator, direkt gewählter Bundestags-Abgeordneter für Hamburg-Altona. Von 2007 bis 2009 setzt er als Bundesarbeitsminister die Branchenmindestlöhne durch.

"Scholzomat" fällt bei der Wahl zum SPD-Vorsitz durch

2011 wird Scholz zum Ersten Bürgermeister der Hansestadt Hamburg gewählt und schafft es tatsächlich, seiner Partei Wahlerfolge in ungeahnten Höhen zu bescheren. Obwohl er beim G20 Gipfel in Hamburg eine denkbar schlechte Figur abgibt, als er das Wüten krawallbereiter Chaoten vollkommen unterschätzt. Seine Wohnungsbaupolitik gilt mittlerweile als beispielhaft und hat auch dazu geführt, dass die Mieten in der Hansestadt nicht mehr raketenartig nach oben schießen. Als Finanzminister und Vizekanzler der Großen Koalition entdeckt er in der Corona-Krise die "Bazooka". Eine Bazooka hätten auch die Umfragewerte der SPD lange Zeit gebrauchen können, jetzt immerhin scheint Scholz zu zünden: Die gute Performance des Vizekanzlers schlägt sich mittlerweile tatsächlich auf die Beliebtheit der Partei nieder.

Scholz‘ Stärke liegt in der Analyse und im Durchdenken der Alternativen, darin ähnelt er der Kanzlerin. Auch ist er ein unerreichter Polit-Phrasendrescher. "Scholzomat" nennen ihn viele politischen Beobachter und Beobachterinnen, weil er wie kaum ein Zweiter emotionsbefreite Reden und Statements drexeln kann. Revolution und Vision sind mit Olaf Scholz nicht zu machen. Seine moderate, ausgleichende Art kostete ihn letztlich auch den SPD-Vorsitz. Als Favorit gestartet, fiel er einer konzertierten Aktion von Jusos und linkem Parteiflügel zum Opfer, obwohl er sich als wahrhafter, "truly Sozialdemokrat" bezeichnete: Dem pragmatischen Scholz wurde sein pragmatisches Festhalten an der Großen Koalition zum Verhängnis.

Die SPD und Olaf Scholz: keine feurige Liebe, aber ...

Wer aber nun gedacht hatte, in dieser schwärzesten Stunde würde Scholz alles hinwerfen, das Amt des Finanzministers, den Vizekanzler, seine Ämter in der SPD, der kennt ihn schlecht. Der Mann ist von sich überzeugt – und er denkt in langen Linien. Auch das eint ihn mit der aktuellen Bundeskanzlerin. Als alle dachten, dass mit der gescheiterten Vorsitz-Kandidatur auch ein Kanzlerkandidat Olaf Scholz gescheitert sein würde, plante der bereits seine Kandidatur, wohl wissend, dass es in der SPD niemanden geben würde, der ihm diese ernsthaft streitig machen würde, am allerwenigsten die aktuellen Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.

Die SPD wird Olaf Scholz niemals so feurig lieben wie sie Willy Brandt oder Gerhard Schröder, sogar Oskar Lafontaine geliebt hat. Aber der stoische Olaf Scholz ist derzeit die zündende Option. Das einzige Zugpferd der SPD.

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