Im österreichischen Parlament gibt es Zoff wegen der starken Abhängigkeit vom russischen Gas. Die Chefin der österreichischen Sozialdemokraten, Pamela Rendi-Wagner, kritisiert die Regierung aus konservativer ÖVP und Grünen. Sie sei dafür verantwortlich, dass Österreich im Vergleich zu den anderen EU-Staaten so schlecht dastehe, so Rendi-Wagner. "Die Abhängigkeit vom russischen Gas ist sogar gestiegen, auf über 70 Prozent jetzt im Vergleich zur Europäischen Union. Dort ist die durchschnittliche Abhängigkeit von russischen Gas 13 Prozent, also signifikant geringer - auch in Deutschland. Die Deutschen haben das aus politischen moralischen Gründen so entschieden, nicht nur aus Pipeline-Gründen."
Zahlenschlacht um Deutungshoheit
Der Vizekanzler der Grünen, Werner Kogler, verteidigt sich und beginnt eine Zahlenschlacht. "Wenn hier 71 Prozent zitiert werden vom Dezember, na dann wird man zitieren dürfen, dass es im Oktober nur 17 Prozent waren. Ok, aber darum geht es nicht. Es geht doch darum, wie viel es insgesamt weniger wird. Früher hatten wir hundert Terawattstunden pro Jahr, und dann hatten wir mit dem Jahr 2022 nur noch 55 bis 65."
Immer noch viel zu viel Gas aus Russland, so die Chefin der liberalen Neos, Beate Meinl-Reisinger. Sie packte wiederum ihre Zahlen aus. "Wenn man sich anschaut, was Österreich im letzten Jahr gezahlt für russisches Gas hat, so ist es nahezu sieben Milliarden Euro gewesen, sieben Milliarden Euro! Wir finanzieren damit den Krieg. Und im Vergleich dazu haben wir im letzten Jahr 600 Millionen Euro Hilfe geleistet an die Ukraine."
Österreich will erst im Jahr 2027 ganz aus den russischen Gaslieferungen aussteigen. Kanzler Karl Nehammer von der ÖVP wirbt für Verständnis. "Aufgrund der vorhandenen, über Jahrzehnte aufgebauten Infrastruktur kann der Ausstieg aus russischem Gas nicht von heute auf morgen erfolgen. Das haben wir auch immer gesagt. Aber wir arbeiten daran."
Langer Abnahmevertrag muss geprüft werden
Das Problem ist der größte österreichische Gaskonzern, die teilstaatliche OMV. Sie hat Gasverträge mit der russischen Gazprom bis ins Jahr 2040. Um diese Verträge werde er sich kümmern, so der Kanzler. "Die sind tatsächlich außergewöhnlich langfristig und ja, es betrifft ein Unternehmern, das im Besitz des Staates steht und damit der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Damit ist es unsere Verantwortung, auch zu wissen, wie sehr gefährdet dieses Unternehmen ist. Und was tatsächlich in diesen langen Abnahmeverpflichtungen drinnen steht."
Verwunderung beim ehemaligen OMV-Chef über Regierungsaussage
Über diese Aussage wundert sich der ehemalige Chef des Gaskonzerns OMV, Gerhard Roiss. Er sagte dem Österreichischen Rundfunk ORF, dass die Regierung die Gasverträge doch schon längst kennen müsste. Denn die Regierung halte mehr als 30 Prozent der Anteile an der OMV und sei im Aufsichtsrat durch ihre Beteiligungsgesellschaft ÖBAG vertreten. "Ich gehe davon aus, dass ein Vertrag, wo es um mehrere Milliarden geht und um Laufzeiten von mehr als zehn Jahren, dass ein solcher Vertrag im Aufsichtsrat der OMV bekannt ist.“
OMV habe ausreichend Versorgungsmöglichkeiten mit Gas für Österreich
Roiss geht davon aus, dass die OMV bis 2027 auf russisches Gas verzichten könnte. "Wir haben ausreichend Gas der OMV in Norwegen, wir haben LNG-Möglichkeiten über Rotterdam und Italien, wir haben Eigengas."
Die OMV teilte dem ORF mit, dass die Verträge mit Russland eine Abnahmeverpflichtung vorsehen würden. Deshalb sei es auch sinnvoll, dieses Gas zu verwenden. Roiss wiederum sagt, dass sein Ex-Konzern aus moralischen Gründen und um Risiken zu vermeiden, zwingend aus dem russischen Gas aussteigen müsse. Und da müsse die Regierung notfalls Druck machen.
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