6. Mai 2013: Im Blitzlichtgewitter im Schwurgerichtssaal des Münchner Strafjustizzentrums steht eine schlanke Frau im schwarzen Hosenanzug. Von Anfang an ist Beate Zschäpe der Mittelpunkt des Strafverfahrens.
Welche Schuld trifft Zschäpe?
War sie Mitglied einer terroristischen Vereinigung namens NSU? Ist sie mitverantwortlich für zehn Morde, zwei Bombenanschläge und fünfzehn Raubüberfälle. Nein, sagt Wolfgang Heer, einer von drei Pflichtverteidigern, mit denen Zschäpe ins Verfahren startet vor Beginn: "Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass Frau Zschäpe Mittäterin an den Taten war. Wir ziehen dies grundsätzlich in Zweifel“, sagt der Kölner Jurist.
Erste Überraschung: Ein bisher unbekannter NSU-Anschlag.
Zschäpe schweigt zu Prozessbeginn. Carsten S., einer von vier mit angeklagten, mutmaßlichen NSU-Unterstützern nicht. S., der sein Gesicht mit einem Kapuzenpulli vor den Kameras verbirgt, ist der Kronzeuge der Anklage. Er räumt ein, im Jahr 2000 eine Pistole mit Schalldämpfer an die untergetauchten Neonazis Mundlos und Böhnhardt übergeben zu haben - mutmaßlich jene Ceska-Pistole, mit der neun von zehn NSU-Morden begangen wurden.
Carsten S. sorgt auch für einen Paukenschlag, als er aussagt, Mundlos und Böhnhardt hätten Andeutungen auf einen Bombenanschlag gemacht. Die Angaben des Kronzeugen passen zu einer Explosion in einem Nürnberger Lokal 1999. Der sogenannte Taschenlampen-Anschlag gilt mittlerweile als erste bekannte Tat der Terrozelle.
Bewegende Zeugenaussagen
Der Prozess beschäftigt sich zunächst mit der Brandstiftung in der letzten Wohnung des Neonazi-Trios in Zwickau. Die Beweislast gegen Zschäpe ist hier erdrückend. Danach befasst sich das Gericht mit den zehn Morden. Das Grauen zieht ein in den Verhandlungssaal. Schreiend liegt der Vater des in Kassel ermordeten Halit Yozgat auf dem Boden vor der Anklagebank und schildert wie er seinen sterbenden Sohn fand. Beate Zschäpe starrt an die Wand. Die Angehörigen beschrieben auch wie sie unter den falschen Verdächtigungen der Mordermittler litten. Nach den Mordanschlägen ist das Umfeld des Trios Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe Thema im Gerichtssaal. Zahlreiche Zeugen aus der Neonaziszene eiern herum, können sich an frühere Aussagen plötzlich nicht mehr erinnern und strapazieren die Nerven der Prozessbeteiligten.
Und Zschäpe redet schließlich doch
Beate Zschäpes Schweigestrategie beginnt im Sommer 2014 zu wackeln. Sie entzieht ihren bisherigen drei Pflichtverteidigern das Vertrauen. Das Gericht entlässt die Anwälte aber nicht aus dem Mandat, um den Prozess nicht zu gefährden. Zschäpe lässt sich von zwei neuen Anwälten verteidigen und im Dezember 2015 schließlich eine Erklärung verlesen. Zschäpe berichtet, dass Uwe Mundlos und Böhnhardt die zehn Morde und zwei Bombenanschläge begingen. Sie selbst habe aber immer erst im Nachhinein von den Taten erfahren und diese abgelehnt, lässt Zschäpe ihren Anwalt verlesen. Das Versenden der Bekenner-DvDs des NSU und die Brandstiftung in Zwickau räumt Zschäpe ein. In der Folge beantwortet sie auch Fragen des Gerichts - schriftlich.
Insgesamt zwei Mal, zuletzt wenige Tage vor dem Urteil, spricht die 43-Jährige selbst, drückt ihr Mitgefühl mit den Opferangehörigen aus, erklärt mit rechtsradikalem Gedankengut abgeschlossen zu haben und bittet darum, sie nicht für etwas zu verurteilen, dass sie nicht getan habe.
Zwei Bilder von Zschäpe
Zu diesem Zeitpunkt hat Bundesanwalt Herbert Diemer im Plädoyer der Anklage längst lebenslange Haft wegen Mittäterschaft an den Morden und Anschlägen gefordert: "Ich meine, dass klar geworden ist, dass es sich bei der Angeklagten ganz klar um einen eiskalt kalkulierenden Menschen handelt, für den Menschenleben für die Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen und ideologischen Ziele keine Rolle spielen und dass sie auch eine bedeutende und eine wichtige Rolle in der terroristischen Vereinigung NSU gespielt hat."
Zschäpes Verteidiger fordern einen Freispruch vom Vorwurf der Mittäterschaft. Für die vier mitangeklagten mutmaßlichen NSU-Unterstützer, wie den Jenaer EX-NPD-Politiker Ralf Wohlleben hat die Anklage langjährige Haftstrafen beantragt. Am Ende des Verfahrens wird allerdings wieder Beate Zschäpe im Mittelpunkt stehen und die Frage: Mittäterin oder Mitläuferin.