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NSU-Prozess: Anwälte des überzeugten Neonazis André E. plädieren

Heute sollen die Plädoyers der Verteidigung fortgesetzt werden. Das Wort haben dann die Anwälte des mutmaßlichen NSU-Unterstützers André E. Dem 38-Jährigen wird unter anderem Beihilfe zum versuchten Mord vorgeworfen.

In fünf Jahren NSU-Prozess hat der Angeklagte André E. kein einziges Wort gesagt, hat auch schriftlich keine Aussage gemacht. Nur ein einziger Antrag seiner Verteidigung ist in Erinnerung geblieben: Sie wollte erreichen, dass André E. nur noch an ausgewählten Verhandlungstagen im Gerichtssaal erscheinen muss. Das wurde abgelehnt, in der Folge fiel der mutmaßliche NSU-Unterstützer vor allem durch offen zur Schau gestelltes Desinteresse auf, so als ob ihn das alles gar nichts angehe. Aus seiner politischen Gesinnung hat André E. unterdessen nie einen Hehl gemacht - er trägt sie sozusagen am Körper:.

"André ist Rassist, er ist Nationalsozialist, er hat auf seiner Brust tätowiert: 'Stirb Jude stirb.'" Mehmet Daimagüler, Nebenklage-Anwalt

Klare Neonazi-Gesinnung

Und diese Tätowierung, die Nebenklage-Anwalt Mehmet Daimagüler da beschreibt, "Die Jew Die", ist nicht das einzige Nazi-Tatoo von André E. Auch mit der Wahl seiner Kleidungsstücke trägt er immer mal wieder seine Neonazi-Gesinnung zur Schau, etwa als am 151. Verhandlungstag ein Zeuge aus der Neonazi-Szene vernommen werden sollte. Da prangte auf dem T-Shirt von André E. der Schriftzug "Brüder schweigen". Was man nicht nur als eine unverhohlene Aufforderung an den Zeugen verstehen konnte. "Brüder schweigen" ist auch der Name einer US-amerikanischen Neonazi-Terrorgruppe, die dem NSU vermutlich als Vorbild diente. Es sei naheliegend, dass André E. in die Terrorpläne des NSU eingeweiht war und diese billigte, glaubt Opferanwalt Alexander Hoffmann.

"Dass er von der Bewaffnung wusste, dass er von der Finanzierung wusste, er kannte sie politisch lange genug, er hat selber in den Heften die er herausgegeben hat, den bewaffneten Kampf, Mord und Totschlag propagiert und dann sind das schon starke Indizien dafür, dass er auch Kenntnis davon hatte, was mit seiner Unterstützung gemacht wird." Alexander Hoffman, Opferanwalt

Warum nur als Unterstützer angeklagt?

Umso erstaunlicher finden es viele Nebenkläger, dass André E. nur als Unterstützer und nicht als Mitglied des NSU angeklagt wurde, obwohl er nachweislich unter anderem konspirative Wohnungen anmietete und auch Wohnmobile, die der NSU für Banküberfälle und einen Anschlag in Köln nutzte. Dass seine Ehefrau Susann nicht mit auf der Anklagebank sitzt, obwohl sie den untergetauchten Terroristen wohl genauso nahestand wie ihr Mann und mutmaßlich Beate Zschäpes beste Freundin war.

Und dass André E. die ersten viereinhalb Jahre des Prozesses auf freiem Fuß blieb - was er dafür nutzte, sich unter anderem bei Pegida-Aufmärschen und Neonazikonzerten sehen zu lassen. Bis Mitte September vergangenen Jahres die Bundesanwaltschaft zum Abschluss ihres Plädoyers überraschend eine zwölfjährige Haftstrafe für André E. beantragte - und auch gleich einen Haftbefehl.

"Den Haftbefehlsantrag haben wir deshalb gestellt, weil wir meinen, dass bei einer entsprechend hohen Strafe auch ein entsprechend hoher Fluchtanreiz besteht." Bundesanwalt Herbert Diemer

Den Angeklagten und seine Anwälte - die übrigens keine Interviews geben - traf die Entscheidung wie aus heiterem Himmel. Dabei hätten sie damit rechnen können, findet Opferanwalt Thomas Bliwier

"Er hat dabei übersehen, die Anwälte haben auch übersehen, dass die Anklage wg. Beihilfe zum versuchten Mord zugelassen war zur Hauptverhandlung, da hat es also keine große Änderung gegeben, der wird genauso verurteilt, wie er angeklagt wurde." Thomas Bliwier, Opferanwalt

Anwälte verzögerten das Verfahren

Seither sitzt André E. wie Beate Zschäpe und Ralf Wohlleben in Untersuchungshaft in der JVA München-Stadelheim. Und plötzlich ist der Neonazi, der viereinhalb Jahre so tat, als ginge ihn das alles nichts an, aktiv geworden. Erst verzögerten seine Anwälte mittels diverser Befangenheitsanträge monatelang das Verfahren. Dann engagierte er aus der Zelle heraus einen neuen Anwalt, der sofort einen - völlig belanglosen - Beweisantrag stellte. Dass André E. mit diesen fast schon verzweifelt anmutenden Aktivitäten kurz vor Schluss noch verhindern kann, dass er demnächst für Jahre hinter Gittern landen wird, ist mehr als fraglich.