Ein grauer Luftwaffe-Airbus rollt zu einer Parkposition am Berliner Hauptstadtflughafen BER. Es ist Anfang Oktober. Der Bundeskanzler kehrt von einer zweitägigen Reise mit Stationen in Spanien und Tschechien zurück. Die Tür geht auf, Olaf Scholz kommt die Treppe hinunter. Für ihn und seine Delegation endet die Reise in Berlin – nicht aber für die Besatzung des Flugzeuges. Sie muss den Regierungsflieger noch dorthin zurückbringen, wo er beheimatet ist: nach Köln.
Ein sogenannter "Bereitstellungsflug" ohne Passagiere ist fällig. Davon gab es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 242 Stück auf der Strecke Köln-Berlin bzw. Berlin-Köln. Das geht aus Daten des Deutschen Bundestages hervor. Die Flugbereitschaft des Bundesverteidigungsministeriums geht davon aus, dass es Ende des Jahres etwa 480 solcher Bereitstellungsflüge gewesen sein werden.
Erbe des Hauptstadtumzuges
"Das, was wir dort erleben, ist das Erbe eines sehr komplizierten Prozesses", sagt der Grünen-Politiker Jürgen Trittin. Er spielt auf den Regierungsumzug von Bonn nach Berlin an. Der liegt zwar schon mehr als 20 Jahre zurück. Trotzdem haben bis heute sechs Bundesministerien ihren Hauptsitz in Bonn, darunter das Verteidigungsministerium. Und zu ihm gehören die 16 Regierungsflieger.
Sie sind weiterhin auf dem militärischen Teil des Flughafens Köln/Bonn stationiert. Unternimmt der Kanzler oder ein Minister eine Dienstreise, wird in der Regel eines der Flugzeuge leer nach Berlin geflogen und kehrt nach der Reise auch wieder leer nach Köln zurück.
Von "Nicht akzeptabel" bis zum Umstationieren der Flugbereitschaft
Dietmar Bartsch, der Fraktionschef der Linken im Bundestag, nennt diesen Zustand "nicht akzeptabel". Und auch Grünen-Mann Trittin sagt: "Die Regierungsflotte muss dort stationiert sein, wo die Regierung sitzt." Doch so einfach ist das nicht.
Deutschlands "Air Force One" steht in Köln-Bonn
Ortstermin. Der Kommandeur der Flugbereitschaft lädt zu einem Gespräch nach Köln, Oberst Daniel Draken. Von seinem Büro aus blickt er auf das Rollfeld des Flughafens: Gleich unter seinem Fenster steht ein Airbus A350, der jüngste Neuzugang der Flotte.
Die Langstreckenmaschine ist erst Mitte November zur Flugbereitschaft gestoßen. "Wir nennen sie hin und wieder 'Air Force One'", sagt Draken mit einem Lächeln. Es ist zwar nicht die Maschine des US-Präsidenten, aber technisch "auf dem allerneuesten Stand" mit VIP-Ausstattung und modernsten Sicherheitssystemen. Die Maschine ist auf den Namen "Konrad Adenauer" getauft; Kanzler und Bundespräsident werden mit dem Jet auf Reisen gehen.
Flughafen BER bleibt auch nach Eröffnung für Luftwaffe das Problem
Dass der BER der passendere Heimatflughafen der Maschine wäre, gibt der Oberst zu. Doch der Airport ist dazu bisher nicht in der Lage. Es fehlen Hangars und Wartungskapazitäten. Schon 2014 hätte die Flugbereitschaften in Berlin sein sollen, erzählt Draken. Doch die Eröffnung des neuen Flughafens verzögerte sich bekanntlich immer wieder, damit waren auch die Umzugspläne hinfällig.
Am alten Flughafen Tegel wäre nie ausreichend Platz für die Regierungsjets gewesen. Lediglich ein paar Hubschrauber der Flugbereitschaft sind bis heute dort stationiert. Die Flugzeugflotte umfasst inzwischen 16 Maschinen: ein weiterer Airbus A350, zwei ältere A340er, sechs Mittelstreckenjets aus der A320er Familie und diverse kleinere Flugzeuge.
"Leerflüge" werden zu Schulungs- und Ausbildungszwecken genutzt
Sie alle pendeln immer wieder ohne Passagiere zwischen Köln und Berlin. Doch Oberst Draken sagt, dass er das Wort "Leerflüge" nicht mag. Jeder dieser Flüge werde für Schulungs- und Ausbildungszwecke genutzt. Das heißt: Piloten fliegen Maschinen von Köln nach Berlin oder zurück auch, um auf ihre Mindestflugstunden zu kommen. Das sind 70 im Jahr. Fliegen die Piloten weniger, können sie ihre Lizenz verlieren. Die Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums ist sogar bemüht, dass ihre Piloten mindestens 150 Stunden im Jahr im Cockpit sitzen.
Bartsch bemängelt zu "teures Personal" am Schreibtisch
"Die Begründung, dass Piloten auch fliegen müssen, das ist für mich keine", meint Linken-Fraktionschef Bartsch. Seiner Ansicht nach können Piloten genauso gut in Flugsimulatoren ausgebildet werden.
Doch dem widerspricht der Kommandeur der Flugbereitschaft. Ein Simulatorentraining könne die Ausbildung im echten Cockpit nicht komplett ersetzen, sagt Oberst Draken. Er spricht von hohem fliegerischem Können, das seine Crew brauche – und zwar auf Knopfdruck.
Denn die Anfragen der Bundesregierung nach Reisen mit der Flugbereitschaft kommen oft kurzfristig. Und meist geht es nicht auf Standardrouten: Oft sind "exotische" Ziele mit Zwischenstopps dabei, jeder Flug muss einzeln geplant werden. Rund 300 der 1.200 Beschäftigten bei der Flugbereitschaft sind daher ausgebildet, bei Bedarf ihren Arbeitsplatz vom Schreibtisch ins Flugzeug zu verlagern, also Einsätze zu fliegen. Das sorgt für weitere Kritik: Die Flugbereitschaft habe zu viel teures Personal. Wer normalerweise am Schreibtisch sitze, werde trotzdem wie ein Pilot bezahlt, bemängelt Linken-Fraktionschef Bartsch.
Umzug der Flugbereitschaft für 2032 vorgesehen
Im Moment ist der Umzug der Flugbereitschaft nach Berlin für das Jahr 2032 anvisiert. Bis dahin soll die nötige Infrastruktur dort stehen. Damit wäre in zehn Jahren auch das Ende der Bereitstellungsflüge zwischen Köln und Berlin angesagt. Endlich, sagt Grünen-Politiker Trittin. Er verweist auf die hohen Kosten und die ökologischen Aspekte.
Personal muss auch nach Umzug weiter geschult werden
Flugbereitschafts-Kommandeur Draken gibt allerdings zu bedenken, dass sein fliegendes Personal weiterhin geschult und trainiert werden muss. Wenn nicht auf Flügen von Köln nach Berlin – dann wohl auf anderen Strecken ohne weitere Passagiere an Bord.
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