09.05.2023, Berlin: Nancy Faeser (SPD), Bundesinnenministerin, und Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), beantworten auf einer Presskonferenz zu Fallzahlen für die Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) 2022, vor der Bundespressekonferenz Fragen von Journalisten. Foto: Wolfgang Kumm/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Pressekonferenz - Mehr Politisch Motivierte Kriminalität

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Neuer Höchststand: Fast 60.000 politisch motivierte Straftaten

In Deutschland hat es im vergangenen Jahr so viele politisch motivierte Straftaten gegeben wie noch nie. Es gibt jedoch immer öfter kein klassisches Rechts-oder-links-Schema mehr.

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Die Zahl politisch motivierter Straftaten ist im vergangenen Jahr erneut gestiegen. 2022 verzeichneten die Behörden 58.916 Delikte, die sich mit bestimmten politischen Richtungen verbinden lassen. Es gibt jedoch immer öfter kein klassisches Rechts-oder-links-Schema mehr.

Es ist eine neue Kategorie, mit der Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, auch erst umgehen müssen. "Nicht zuzuordnen" lautet sie, und das bedeutet, dass die Straftäter in keine Schublade passen.

Straftaten wegen Corona-Maßnahmen oder Ukraine-Krieg

Die teils radikalen Proteste und damit verbundene Straftaten etwa gegen die Corona-Maßnahmen der Politik lassen sich nicht einem politischen Feld zuordnen. Ebenso verhält es sich mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine. Welcher politischen Richtung die Straftäter anhängen, können die ermittelnden Behörden oft nicht sagen.

"Vielfältiger und diffuser" seien die Hintergründe geworden, sagt BKA-Chef Münch zu den rund 24.000 Straftaten in der Kategorie "Nicht zuzuordnen". Nachvollziehen kann er es dennoch: In Zeiten politischer Verunsicherung nehme auch die politisch motivierte Gewalt zu, sagt Münch. An diese Kategorie werde man sich gewöhnen müssen.

Weiterhin hohes Niveau an rechtsextremen Straftaten

An der Kategorie "Nicht zuzuordnen" gibt es allerdings scharfe Kritik. Gleichzeitig mit der offiziellen Polizeistatistik veröffentlichten am Dienstagmorgen Opferberatungsstellen eine eigene Bilanz. Sie fürchten, dass mit der undefinierbaren Kategorie eine Untererfassung rechter Tatmotive stattfinde. Die Opferberatungsstellen zählten in ihrer Statistik 1.340 rechtsextreme Gewalttaten. Die Statistik des Bundeskriminalamts listet weitaus weniger auf, nämlich 1.170.

Insgesamt verzeichnet die Statistik des Bundeskriminalamtes im Jahr 2022 rund 23.500 rechtsextreme Straftaten. Das ist ein Anstieg um sieben Prozent. Bundesinnenministerin Faeser und BKA-Chef Münch sind sich einig: "Rechtsextremismus bleibt die größte Bedrohung." Innenministerin Faeser sagt, Hass und Hetze seien oft Nährboden für Gewalt. Sie betonte, man habe daher auch Aufrufe bei Demonstrationen und Kundgebungen "sehr genau im Blick". Der AfD komme da "natürlich eine besondere Rolle zu", so Faeser.

"Mit aller Härte gegen Reichsbürger" vorgehen

Die Straftaten von selbsternannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern stiegen im vergangenen Jahr auf 1.865 Fälle, eine Zunahme von rund 40 Prozent. Dabei ging es vor allem um Nötigung, Bedrohungen und Beleidigungen. Jedoch nehmen auch in diesem Milieu die Gewalttaten zu. 333 verzeichneten die Behörden, eine Zunahme von ebenfalls 40 Prozent.

Innenministerin Nancy Faeser verwies auf den Umsturzversuch aus der Szene und die damit verbundene Großrazzia. Der Staat werde dagegen "mit aller Härte" vorgehen. Nach Faesers Worten gibt es noch rund 400 Reichsbürger, die über eine waffenrechtliche Erlaubnis verfügen.

Keine Entwarnung bei antisemitisch motivierten Taten

Erstmals seit vielen Jahren verzeichneten die Behörden einen Rückgang der Zahl antisemitischer Straftaten. Sie sank um knapp 13 Prozent auf 2.641 Fälle. Von Entwarnung will die Bundesinnenministerin jedoch nicht reden. Denn Nancy Faeser berichtete gleichzeitig von einer Zunahme antisemitisch motivierter Gewaltdelikte, von 64 auf 88 Fälle.

Deutlicher Anstieg im Bereich Klimaschutz

Die Straßenblockaden und andere Aktionen der selbsternannten "Letzen Generation" schlagen sich ebenso in der Statistik des Bundeskriminalamts nieder. 1.716 politisch motivierte Straftaten zählten die Behörden im vergangenen Jahr im Bereich Klima und Umweltschutz, das ist ein Anstieg um 72 Prozent. Faeser betonte erneut, dass sie für Vergehen in diesem Bereich "nicht das geringste Verständnis" habe. Die Klimakrise müsse demokratisch bekämpft werden, so Faeser.

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