Eine Hand dreht an einem Heizungsregler
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Eine Hand dreht an einem Heizungsregler

    Netzagentur-Chef will wegen Gaskrise Heizvorgaben senken

    Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, ist besorgt über sinkende Gaslieferungen aus Russland. Angesichts dieses "Warnsignals" müssten Heizvorgaben abgesenkt werden, die Energiepreise würden noch "Schockwellen" durch Deutschland senden.

    Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hat seine Besorgnis über die sinkenden Gaslieferungen des russischen Unternehmens Gazprom geäußert. "Wir sind sehr wachsam. Dass Gazprom seine Lieferungen durch Nord Stream 1 nun auf etwa 40 Prozent senkt, ist ein Warnsignal und technisch nicht zu begründen. Russland schürt damit leider Verunsicherung und treibt die Gaspreise hoch", sagte Müller der "Rheinischen Post".

    Am Dienstag hatte das Unternehmen den Durchfluss von Gas durch die Pipeline auf maximal 100 von 167 Millionen Kubikmeter pro Tag reduziert und zur Begründung auf Verzögerungen bei der Reparatur von Gas-Kompressoren durch die Firma Siemens verwiesen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bezeichnete den Verweis auf Reparaturarbeiten als Vorwand. Wartungsarbeiten der Firma Siemens stünden erst im Herbst an.

    Deutschland könnte ein Problem bekommen

    Wenn Gazprom nun über Wochen nur 40 Prozent des Gases durch Nord Stream 1 liefere, bekomme Deutschland ein Problem, so Netzagenturchef Müller: "Das würde unsere Situation erheblich verschlechtern. Über den Sommer könnten wir das vielleicht aushalten, denn die Heizsaison ist ja vorbei. Allerdings müssen wir jetzt zwingend die Speicher füllen, um den Winter zu überstehen – auch mit russischem Gas."

    Auf die Frage, ob er fürchte, dass Russland nun mit einem Gas-Lieferstopp ernst machen könnte, sagte Müller, dass es bislang in der russischen Logik gelegen habe, Deutschland weiter Gas verkaufen zu wollen: "Aber wir können nichts ausschließen."

    Heizvorgaben sollten gesenkt werden

    Angesichts dieser Situation will Müller den Druck auf private Haushalte und Firmen erhöhen, Gas zu sparen. "Im Mietrecht gibt es Vorgaben, wonach der Vermieter die Heizungsanlage während der Heizperiode so einstellen muss, dass eine Mindesttemperatur zwischen 20 und 22 Grad Celsius erreicht wird. Der Staat könnte die Heizvorgaben für Vermieter zeitweise senken. Darüber diskutieren wir mit der Politik", erklärte er.

    Nachzahlungen könnten für "Schockwellen" sorgen

    Mietern könnten bei steigenden Preisen kräftige Nachzahlungen drohen, so der Netzagenturchef: "Schon jetzt haben sich die Gaspreise für private Haushalte gegenüber der Vorkriegs-Zeit vervielfacht. Für Mieter kann es eine böse Überraschung geben, werden hohe Nachzahlungen fällig werden. Das können schnell mehr als tausend Euro sein, da werden Schockwellen durch das Land gehen. Banken werden ihre Geschäfte mit Ratenkrediten hochfahren, angeschlagenen Firmen droht die Insolvenz."

    Prämien für sparsame Unternehmen

    Es sei wichtig, dass auch in der Wirtschaft so viel Gas eingespart werde wie möglich, um über den nächsten Winter zu kommen, ergänzte Müller. Unternehmen sollen mit Prämien zum Gassparen animiert werden: "Wir möchten Mechanismen etablieren, um Unternehmen, die freiwillig Gaskontingente abtreten, mit einer Prämie zu belohnen. Es ist immer besser, wenn Anpassungen über Preise geschehen als über dirigistische Vorgaben."

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    Mieterbund fordert weitere Entlastungen

    Der Deutsche Mieterbund hat wegen der Teuerungswelle im Energiebereich neue Entlastungen für Verbraucher gefordert. "Viele Kundinnen und Kunden erleben derzeit enorme Preissteigerungen für Öl, Gas und Strom", sagte Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin Mieterbundes, der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

    Nötig seien daher zusätzliche Hilfen der Politik: "Statt Einmalzahlungen benötigen wir eine dauerhafte Entlastung bei Heizkosten, mindestens für die Zeit der Energiekrise", sagte Weber-Moritz. "Zudem muss sichergestellt werden, dass Mieterinnen und Mietern nicht gekündigt werden kann, wenn sie ihre hohe Nachzahlung nicht innerhalb von 30 Tagen nach Erhalt der Nebenkostenrechnung zahlen können."

    Für Flüssiggas-Terminal bei Lubmin

    Bundesnetzagenturchef Müller sprach sich unterdessen auch für den Bau eines schwimmenden Flüssiggas-Terminals in Mecklenburg-Vorpommern aus - dort, wo die Pipelines Nord Stream 1 und 2 enden. "Ein schwimmender Terminal vor Lubmin wird geprüft, hierzu laufen derzeit klärende Gespräche. Die Hinterland-Anbindung an das Pipeline-System wäre wegen Nord Stream jedenfalls da", sagte er. Derzeit werde geprüft, nicht nur die Nordsee, sondern auch die Ostsee einzubeziehen, um ausreichend Gas von der Küste nach Süddeutschland bringen zu können.

    Insgesamt hat die Bundesregierung vier schwimmende Flüssiggas-Terminals (FSRU) geordert, für zwei steht der Standort schon fest: Wilhelmshaven und Brunsbüttel. "Ich rechne damit, dass sie im nächsten Winter verfügbar sind. Über sie können jährlich jeweils etwa 50 Terrawattstunden Gas importiert werden, das sind jeweils etwa fünf Prozent des Gasverbrauchs in Deutschland", erklärte Müller.

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