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Mannheim

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Nachrichtenblog erfindet Terroranschlag

Von einem massiven Terroranschlag in Mannheim berichtete am Sonntag der "Rheinneckarblog". Der Autor hat den Vorfall jedoch frei erfunden. Nun prüft die Staatsanwaltschaft, ob sich der Anfangsverdacht einer Straftat erhärtet. Von Jenny Stern

Vom "bisher größten Terroranschlag in Westeuropa" war auf der Internetplattform "Rheinneckarblog" in der Nacht von Samstag auf Sonntag die Rede. Angreifer sollten angeblich mit Macheten und Messern in Mannheim unterwegs sein, 136 Menschen seien getötet worden, 237 verletzt. Die Polizei klärte etwa eine halbe Stunde später via Facebook und Twitter auf:

"Bei dem Beitrag des rheinneckarblog bzgl. eines Terroranschlags in Mannheim handelt es sich um einen erfundenen Text. Der geschilderte Sachverhalt ist nicht real. *eb" Polizei Mannheim auf Twitter

Der Betreiber des Blogs, Hardy Prothmann, gestand später ein, mit dem Bericht bewusst Lügen verbreitet zu haben: "Wir haben Fake News veröffentlicht, die morgen schon Realnews sein könnten", schrieb er in einem Blogbeitrag. "Wir wollten definitiv keine Massenpanik erzeugen, wohl aber Aufmerksamkeit - für mögliche Bedrohungslagen, aber auch für Fakenews."

Fakes gegen Fakes

Lügen erzählen, um auf "Fake News" aufmerksam zu machen: Ein Vorgehen, das der Pressesprecher des Bayerischen Journalisten-Verbandes (BJV), Thomas Mrazek, für problematisch hält.

"Solche Experimente haben - auch wenn der Urheber Hardy Prothmann dies vehement bestreiten mag - überhaupt keinen Erkenntnisgewinn, viel schlimmer ist jedoch, dass sie womöglich einen unmittelbaren und immensen Schaden bei den Nutzern und in diesem Fall bei betroffenen Behörden und Kommunen anrichten können." Thomas Mrazek

Von einem dauerhaften Schaden für das Ansehen des Journalismus sprach der Pressesprecher, der Prothmann persönlich kennt und unter anderem ein Interview zu einem anderen Projekt mit ihm geführt hat. "Freude über solche Experimente empfinden wohl allenfalls Rechtspopulisten, die dies als (vermeintliche) Aufklärung über das Mediensystem und Mängel des politischen Systems betrachten", so Mrazek vom BJV.

Wie die Deutsche Presse-Agentur meldete, hatte Prothmann den Mannheimer Oberbürgermeister darüber informiert, einen fiktionalen Text veröffentlichen zu wollen. Dieser habe ihm davon abgeraten. Die Staatsanwaltschaft prüft laut Meldung nun, ob der Anfangsverdacht einer Straftat besteht.

Gonzo vs. Journalismus

In den sozialen Medien wurde die Aktion des "Rheinneckarblogs" überwiegend negativ aufgenommen. Kritik, die Prothmann nicht annehmen wollte. Im Interview mit dem Medienportal "Meedia" sagte er: "Es ist erschütternd, wie wenig Medienkompetenz vorhanden ist. Die Mehrzahl der Kommentatoren ist entweder dumm oder stellt sich dumm." Er selbst verteidigte den falschen Bericht und berief sich auf den "Gonzo-Journalismus", einen Stil, der vor allem das subjektive Empfinden in den Vordergrund rückt und auf Objektivität keinen Wert legt, wie Mrazek erklärte.

Mit Gonzo-Journalismus habe die fingierte Meldung auf dem Blog seiner Einschätzung nach jedoch nichts gemein. Und selbst wenn sie die Kriterien dafür erfüllen würde, so kommt er zu dem Schluss:

"Gonzo-Journalismus hat überhaupt nichts auf einem Nachrichtenportal zu suchen." Thomas Mrazek