Blitzeinschlag im Petersdom
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Machtkampf im Vatikan

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Nach Benedikts Tod: Machtkampf im Vatikan entbrannt

Nach Benedikts Tod brechen im Vatikan alte Fronten auf: Konservative bezeichnen Franziskus' Pontifikat als "Desaster", der Papst nennt solche Kritik "lästigen Ausschlag". Im Machtkampf geht es vor allem um die nächste Papstwahl.

Der Vatikan kommt nicht zur Ruhe: Einen Monat nach dem Tod des emeritierten Papstes Benedikt XVI. tobt ein Machtkampf zwischen konservativen Kräften und den Anhängern von Franziskus. Fast täglich gibt es in Texten von Vatikan-Beobachtern neue Kritik am Papst zu lesen. Der Druck wächst. Das sagt auch der deutsche Kardinal Walter Kasper im Interview mit dem ARD-Politmagazin report München. Franziskus mürbe zu machen und zerstören zu wollen sei "erstens unchristlich und zweitens dumm", meint Kasper, der schon seit Jahrzehnten im Vatikan ist.

Ziel: Franziskus mürbe machen und zerstören wollen

Benedikt XVI. war noch nicht einmal beerdigt, da sorgte ausgerechnet sein langjähriger Privatsekretär Georg Gänswein mit ersten Interviews und Vorab-Meldungen zu seinem Buch "Nichts als die Wahrheit" dafür, dass vor allem das Trennende zwischen dem Deutschen und dem Argentinier auf dem Stuhl Petri diskutiert wurde. Ein Knackpunkt: die "Alte Messe" auf Latein, die der Priester vor allem mit dem Rücken zum Volk zelebriert.

Benedikt XVI. hatte diese Feier deutlich erleichtert, Franziskus sie wieder massiv eingeschränkt. "Mit Schmerzen im Herzen" habe der emeritierte Papst dies wahrgenommen, so Gänswein im Interview mit der katholischen Zeitung "Die Tagespost". Und fügt persönlich hinzu: "Den Menschen diesen Schatz wegzunehmen, dabei ist mir nicht ganz wohl."

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Nach dem Tod von Benedikt XVI. ist der Machtkampf im Vatikan entbrannt.

Gerhard Ludwig Müller verwaltete Benedikts intellektuelles Erbe

Doch die Turbulenzen im Vatikan gehen tiefer, die Kritik an Franziskus ist persönlicher. Wer mehr dazu erfahren will, muss sich in die ehemalige Wohnung von Joseph Ratzinger begeben. Dort residiert heute Gerhard Ludwig Müller. Er versteht sich als Sachwalter des intellektuellen Erbes des bayerischen Papstes.

Der deutsche Kardinal war ebenfalls Präfekt der Glaubenskongregation - und wurde von Franziskus abberufen. Mit Blick auf den Zustand der katholischen Kirche unter dem argentinischen Papst sagt Müller im Interview mit report München:

"Es scheint, so hätte das auch Joseph Ratzinger gesagt, dass der Herr im Boot schläft." Kardinal Gerhard Ludwig Müller.

Nach Benedikts Tod: Konservative Lager muss sich neu sortieren

Was die Kritik schärfer und die Lage unübersichtlicher macht: Das konservative Lager muss sich neu sortieren. Denn: Kurz nach Benedikt starb mit dem australischen Kurienkardinal George Pell ein Strippenzieher der Konservativen. Nach seinem Tod wird bekannt, dass Pell, der einst ein enger Berater von Franziskus war, der Autor eines Memorandums gegen den Papst ist. Darin heißt es:

"Kommentatoren aller Couleur (…) sind sich darin einig, dass dieses Pontifikat in vielerlei oder mehreren Hinsichten ein Desaster ist, eine Katastrophe." Kardinal George Pell (1941-2023)

Kritik: Franziskus gehe Missbrauchs-Vorwürfen nicht immer nach

Auch Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat jüngst erst ein weiteres Interviewbuch mit einer deutlichen Kritik veröffentlicht. Darin schreibt er, der Papst gehe Vorwürfen von sexuellem Missbrauch nicht immer entschieden nach und höre auf einen kleinen Freundeskreis. "Das kann man machen, wenn man Privatmann ist." Nicht aber als Papst, findet der deutsche Kardinal.

Eine weitere Angst treibt die Kritiker von Franziskus an: Sie fürchten, dass dieser nun aufs Gaspedal tritt, wenn es um Reformen geht, nachdem Benedikt XVI. nicht mehr lebt. Manche fürchten gar eine Kirchenspaltung, ein Schisma und führen mahnend die Reformforderungen aus Deutschland an, also etwa verheiratete Priester und die Weihe von Frauen. Auch Franziskus nahestehende Kardinäle wie Walter Kasper mahnen, die Spaltung nicht zu groß werden zu lassen.

Franziskus vergleicht Kritiker mit lästigem Ausschlag

Doch wie reagiert der Papst selbst? Er spricht in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP mit Blick auf die Kritik von einem "Ausschlag", der lästig sei. Aber: "Das einzige, worum ich bitte, ist, mir die Kritik ins Gesicht zu sagen; denn das bringt uns alle weiter." Ein frommer Wunsch: Die Machtspiele rund um den Vatikan werden weitergehen. Schließlich geht es nicht nur um Franziskus. Bei einem 86-jährigen Amtsinhaber ist schon die nächste Papst-Wahl im Blick, das nächste Konklave.

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