Eine elektronische Werbetafel, die für das Impfen gegen Corona wirbt (Symbolbild)
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Nach Scheitern der Impfpflicht: Grüne wollen mehr impfen

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Grüne wollen nach Scheitern der Impfpflicht Steigerung der Quote

Die Impfpflicht ab 60 ist fürs Erste vom Tisch. Jetzt wollen die Grünen mehr Menschen dazu motivieren, sich impfen zu lassen. Außerdem wird ein zweiter Anlauf für die Impfpflicht diskutiert.

Nach dem Scheitern des Gesetzentwurfs zur Impfpflicht ab 60 setzen die Grünen darauf, durch andere Maßnahmen doch noch mehr Menschen für die Impfung zu gewinnen. Die Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic will in Rücksprache mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ein Konzept erarbeiten, mit dem die Impfquote gesteigert und die Vorsorge für steigende Infektionszahlen vorangebracht werden kann. Eine höhere Impfquote solle verhindern, dass im Herbst zum dritten Mal freiheitseinschränkende Maßnahmen beschlossen werden müssen, so Mihalic.

Kommt die Impfpflicht im zweiten Anlauf?

Nicht nur Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach setzt sich für einen neuen Anlauf für eine Impfpflicht ein: Auch mehrere Landes-Gesundheitsminister warben wollen die Impfpflicht rechtssicher auf den Weg bringen. Einer von ihnen ist Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU). Besorgt über das Abstimmungsergebnis äußerte sich in der "Mitteldeutschen Zeitung" Sachsens-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD).

Die vier grünen Ressortchefs für Gesundheit in den Bundesländern warnten vor einer neuen Corona-Welle im Herbst. Die Entscheidung im Bundestag sei dem Ernst der Lage nicht angemessen. Leidtragende davon seien vor allem die vulnerablen Gruppen.

Themenschwerpunkt: Scheitern der Impfpflicht im Bundestag
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Themenschwerpunkt: Scheitern der Impfpflicht im Bundestag

Sozialverbände: "Fiasko für uns alle"

Als "Fiasko für uns alle" bewertete der Sozialverband ASB das Scheitern eines Bundestagsbeschlusses für eine allgemeine Impfpflicht. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie bedauerte die Entscheidung gegen die Impfpflicht. Der Bundestag habe sich "nach der quälend langen politischen Diskussion" nicht einmal zu der Minimallösung einer Impfpflicht ab 60 Jahren durchringen können. Damit sei eine große Chance verpasst worden, die Pandemie dauerhaft in den Griff zu bekommen und allen Menschen ihre vollen Freiheits- und Teilhaberechte zurückzugeben, so Lilie.

Auch die Caritas äußerte Zweifel daran, wie der Schutz der Älteren und Vorerkrankten nun gewährleistet werden könne. Es sei bitter, dass nur die Impfpflicht für medizinisches und Pflegepersonal bleibe, twitterte der Verband. Ähnlich äußerte sich der Sozialverband Deutschland (SoVD). Dessen Präsident Adolf Bauer betonte, Gespräche und Debatten müssten "jetzt erst recht" intensiviert werden und es müsse weiter für die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht gekämpft werden.

Auch Krankenhäuser reagierten enttäuscht auf das Scheitern der Impfpflicht. Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, sprach in der "Rheinischen Post" von einem "Scherbenhaufen, den alle Parteien zu verantworten haben". Das sei ein Scheitern mit Ansage gewesen.

Arbeitgeberpräsident: "Kein guter Tag für Pandemiebekämpfung"

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger hat enttäuscht auf das Scheitern einer Corona-Impfpflicht im Bundestag reagiert. "Das ist kein guter Tag für die Pandemiebekämpfung", erklärte er am Donnerstag. Impfen bleibe ein "zentraler Baustein im Kampf gegen die Pandemie".

Wer geimpft sei, schütze nicht nur sich und seine Mitbürgerinnen und Mitbürger, durch Impfungen ließen sich auch "einschneidende Beschränkungen von wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Leben" vermeiden, fuhr der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) fort.

Dulger appellierte an die Deutschen, sich auch ohne Impfpflicht mehr impfen zu lassen. Betriebe und Unternehmen seien bereit, durch das betriebsärztliche Impfen ihren Teil beizutragen. Er schlug vor, nach einer "österlichen Denkpause" eine konzertierte Aktion von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialpartnern für das Impfen zu starten.

Patientenschützer: Entscheidung ist Stärkung der Selbstbestimmung

Patientenschützer dagegen begrüßten die Entscheidung als Stärkung der Selbstbestimmung. Die Corona-Impfung schaffe keine Herdenimmunität. Außerdem wäre die Impfpflicht ein Umsetzungs-, Kontroll- und Sanktionierungsmonster geworden, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Deshalb sei es gut, dass der Bundestag die Selbstbestimmung gestärkt hat. Brysch betonte, es sei kein Gegensatz, für die Impfung zu werben und bei der Impfpflicht skeptisch zu sein.

AfD: Gefahr für das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit abgewendet

Die Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, Alice Weidel und Tino Chrupalla sprachen von einem "guten Tag für die Demokratie und die Grundrechte in Deutschland". Durch die Entscheidung des Parlamentes sei die Gefahr für das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit abgewehrt und die Eigenverantwortlichkeit der Bürger in der Corona-Pandemie gestärkt worden. Jetzt müsse "so schnell wie möglich" auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht wieder abgeschafft werden."

Mehrheit der Deutschen für Impfpflicht

Eine Mehrheit der Deutschen hätte die Einführung einer Corona-Impfpflicht unterstützt. Fast jeder Zweite (46 Prozent) sprach sich im aktuellen ARD-Deutschland für eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen ab 18 Jahren aus (-7 Prozentpunkte im Vgl. zu Februar). 13 Prozent (+1) unterstützen demnach eine Impfpflicht für Menschen ab 50 Jahren. Mehr als ein Drittel der Deutschen (37 Prozent, +4) ist grundsätzlich gegen eine Corona-Impfpflicht. Das hat eine repräsentative Umfrage von infratest dimap unter 1.325 Wahlberechtigten für den ARD-DeutschlandTrend von Montag bis Mittwoch dieser Woche ergeben.

  • Zum Artikel: "FAQ: Was Sie vor und nach der Corona-Impfung beachten sollten"
  • Impfpflicht gescheitert: Das sagen die Menschen
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    Impfpflicht gescheitert: Das sagen die Menschen

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